Katar Krise – Ursprung und Konsequenzen

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Geschrieben, produziert und übersetzt vom SF Team: J.Hawk, Daniel Deiss, Edwin Watson, Eugen Kieber

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Die Krise die Katar momentan umgibt, stellt den schwersten Konflikt zwischen den arabischen Golfstaaten seit dem Ende des kalten Krieges dar. Während diese Ölreichen, autokratischen OPEC Mitglieder hauptsächlich aus Bequemlichkeit gepaart mit gemeinsamen Ängsten (UdSSR, Saddam Hussein, Iran usw.) Verbündete waren, ist ihr gegenseitiges Misstrauen nie so weit eskaliert, das die komplette Abtretung eines ihrer Mitglieder nötig gewesen wäre. Bei dieser Krise stechen einige interessante Merkmale heraus.

Zunächst einmal der Abbruch der diplomatischen Beziehungen von Saudi-Arabien und einigen anderen regionalen Großmächten, darunter Ägypten, und die Entziehung Katars Möglichkeiten um Boden- und Lufttransporte durch oder über das Territorium von Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten darunter Ägypten durchführen zu können geschah plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung. Nach außen hin gab es keinen Streit den man zwischen Katar und seinen Nachbarn verfolgen konnte und es kam letzte Zeit auch zu keinen provokativen politischen Schritten. Das deutet darauf hin das dies ein von Saudi-Arabien und dessen Partnern geplanter Schritt war.

Während die Rolle der USA in der Krise immer noch zweideutig ist, ist es extrem unwahrscheinlich, dass Saudi-Arabien ohne Koordination mit den USA solch drastische Maßnahmen unternommen hätte, zumal diese Aktion buchstäblich fast gleichzeitig mit dem sehr öffentlichen Besuch von Präsident Trump in Saudi-Arabien stattfindet. Während er sich anfangs zurück hielt, verfasste Präsident Trump schließlich auf seinem Twitter-Konto Texte um die Schritte Saudi-Arabiens gegen Katar zu unterstützten, und das, obwohl die USA in diesem Land nach wie vor militärisch stark Präsent sind.

Die Art von Anschuldigungen, die gegen Katar erhoben wurden, sind extrem. Sowohl die US-amerikanische und saudische-Führung beschuldigen Katar mit dem momentan schlimmsten Vergehen, nämlich damit, dass das Land den gewalttätigen islamischen Extremismus unterstützt. Trump ging sogar so weit, dass er gesagt hat das die Veränderung der Politik Katars ein wichtiger Schritt zur Lösung des Terrorproblems sei.

Die Art der Krise deutet darauf hin das es sich hierbei um Spannungen handelt, die schon lange ein Thema sind, jetzt aber schlussendlich ins offene Licht treten. Die letzten Ereignisse zwischen Katar und Saudi-Arabien sowie die Auffassung der Saudi-freundlichen Fraktion deuten darauf hin das hierbei mehrere Faktoren mitspielen.

Der Rückgang der Energiepreise in den letzten Jahren tragen ebenfalls einiges dazu bei. Saudi-Arabiens teure Kriege in Syrien und im Jemen machen das Problem nur noch schlimmer. Da Katars Hauptgeschäftsfeld Erdgas ist, dessen Produktion außerhalb der Reichweite von OPEC liegt, kann es sein das Saudi-Arabien versucht Katar, dessen pro-Kopf BIP der höchste der Welt ist, dazu zu zwingen, einen Teil seines Reichtums mit der scheiternden saudischen Monarchie zu teilen.

Diese drastische Maßnahme wäre wahrscheinlich nicht nötig gewesen, wenn die saudischen und katarischen Ambitionen in Syrien realisiert worden wären. Das Ziel war schließlich die Verlegung von Pipelines durch das Gebiet von Syrien und auch die syrischen Ölfelder zu beschlagnahmen und IS als Vollmacht dafür einzusetzen und das größtenteils mit der stillschweigenden Zustimmung der Obama-Regierung. Während das Ergebnis des Krieges in Syrien noch ungewiss ist, ist es eindeutig, dass die saudischen und katarischen Bemühungen ihren Reichtum auf syrische Kosten zu erhöhen, gescheitert sind.

Die Saudis versuchen zudem ihre politische Vorherrschaft in der Region als Bestandteil des “sunnitischen NATO”-Konzepts zu etablieren. Die unabhängige Außenpolitik von Katar welche die Ziele Saudi-Arabiens in Syrien und Libyen oft ignoriert und sogar untergraben hat, war selbstverständlich ein Hindernis für die Durchsetzung dieser Ziele. Darüber hinaus scheint die Freiberuflichkeit Katars auch der Grund zu sein, warum Länder wie Ägypten und Israel die Maßnahmen Saudi-Arabiens unterstützt haben. Katar ist ein wichtiger Sponsor der Muslimbruderschaft und Hamas die für diesen beiden Länder ein großes Ärgernis darstellen.

Ein weiteres Zeichen für die Unabhängigkeit Katars war dessen Iran-Politik, mit der das Land den Ansätzen der saudischen Politik stark Widerspricht. Da die “sunnitische NATO” direkt gegen den Iran ausgerichtet ist und sollte Saudi-Arabien bei der Vernichtung der Unabhängigkeit Katars Erfolg haben, wird sie sich zu einer unbestreitbar dominierenden politischen Macht auf der arabischen Halbinsel etablieren. Die harte Disziplinierung und Demütigung Katars wäre auch eine langfristige Warnung an jede andere kleinere Golf-Macht, die versuchen könnte eine von Saudi-Arabien unabhängige Außenpolitik zu verfolgen. Die Bedeutung des Irans für den saudisch-katarischen Konflikt wurde durch die Bereitschaft des Irans, Katar mit Lebensmitteln zu versorgen, um die Blockade der Saudis zu überwinden, und dem Terroranschlag in Teheran der von den iranischen Behörden Saudi-Arabien zugeschrieben wurde, deutlich demonstriert. Teheran hat auch seinen Luftraum für Flugzeuge der Qatar Airways geöffnet und inoffizielle Bemühungen verstärkt um Doha die Hauptstadt von Katar zu einem eigenen Einflussbereich zu machen.

In diesem Sinne erlangt Trumps jüngster Besuch in Saudi-Arabien, der mit der eher bizarren “glühenden Weltkugel” Zeremonie kulminiert hat, eine neue Bedeutung. Während wir noch nicht wissen, wie viel Spielraum Washington Riad bei dessen Umgang mit Doha geben wird und wie viel zwischen den beiden Mächten koordiniert und kommuniziert wird, war Trumps Verhalten in Saudi-Arabien höchstwahrscheinlich dazu gedacht, um zu zeigen, das Saudi-Arabien das volle Vertrauen der USA hat, obwohl Katar die Warnung offensichtlich nicht ernst genommen hatte. Wenn die Maßnahmen der Saudis dazu führen das Katar auf die Muslimbruderschaft und Hamas verzichtet wäre das den USA sehr behilflich, um einige ihrer politischen Positionen in der Region wiederherzustellen, indem sie sowohl Israel als vor allem auch Ägypten näher an die USA heranziehen. Die Entmachtung Katars verspricht auch das die Kriege nicht nur die in Syrien, sondern auch in Libyen zu einem genaueren Abschluss gebracht werden, indem wichtige Akteure die ein unabhängiges Ziel verfolgen eliminiert werden. Zu guter Letzt unterhält Katar zu der Türkei und zu Russland bessere Beziehungen als Saudi-Arabien, was in Washington zweifellos zusätzliche Angst ausgelöst hat, das Russland den Posten der USA als einflussreichste externe Macht im Nahen Osten einnimmt. Die Entstehung der Russland-Iran-Türkei-Qatar Konstellation in Folge der Diplomatie Russlands und der eigenen regionalen Ambitionen der Türkei sind für Riad und Washington ein Albtraum-Szenario.

Es ist noch unklar, ob die Trump-Administration Saudi-Arabien dazu veranlasst hat diesen Kurs einzuschlagen, oder ob Trump keine andere Wahl hatte als die Vorgehensweise der Saudis zu unterstützen und akzeptieren, wobei einige Anpassungen gemacht wurden, um die oben genannten Interessen der USA zu berücksichtigen. Andererseits könnte Trump schlicht dieselbe “Unterstützung des Terrorismus” Keule gegen die Saudis angewendet haben, die er dann schlussendlich gegen Katar angewendet hat. Andererseits bedeutet die Macht der saudischen Lobby in Washington und das Fehlen einer Verbündeten-Macht, die dazu in der Lage ist zu tun, was Saudi-Arabien in Katar macht, dass die Saudis den Befehlen Washingtons schlicht nicht Folge leisten.

Doch angesichts Trumps anstehenden Besuchs in Polen und der Teilnahme am so genannten drei-Meeres-Initative-Gipfel muss man auch die Möglichkeit aufgreifen, dass die USA in Katar einen unerwünschten Konkurrenten für den Markt mit natürlichem Flüssiggas (LNG) sehen. Es wird langsam ersichtlich, dass die USA ihre Rolle als Kohlenwasserstoff-Exporteur in Zukunft weiter ausbauen werden, sie natürlich in einen Konflikt nicht nur mit Russland, sondern auch mit Katar und Saudi-Arabien bringen wird. Es wird auch deutlich, dass zumindest ein Teil dieser Expansion in Europa stattfinden wird, oder dem Markt von dem Katar sich durch die Förderung von Dschihadisten in Syrien, die letztendlich den Weg für dessen Gaspipelines nach Europa ebnen würden Zugang erhofft hatte.

Der Fall zwischen den USA und Katar scheint auf die Führung von Katar einen ernüchternden Einfluss zu haben. Da sie offensichtlich befürchten das jedes Anzeichen von Schwäche zu ihrem Sturz oder sogar Tod führen könnte, weil sie auf ihren eigenen Standpunkten beharren und unorthodoxe Quellen unterstützen. Dieser Vorgang veranschaulichte wiederum das Ausmaß der anti-saudischen Stimmung in der Region und die Grenzen des US-Einflusses. Der türkische Präsident Erdogan sprach Katar große Unterstützung zu und ging so weit, dass er die türkisch-katarische Militärische Allianz verstärken und Truppen nach Katar entsenden wolle. Pakistan beschloss ebenfalls militärische Einheiten nach Katar zu entsenden und vereint reichen diese Aktionen wahrscheinlich aus, um jegliche Gefährdung, die vom Saudischen Militär ausgeht aufzuhalten, möglicherweise mit Zusammenarbeit der unzufriedenen Fraktionen des katarischen Militärs. In diesem Stadium wäre eine direkte Intervention des US-Militärs nötig um die Regierung Katars zu stürzen, aber die USA bevorzugen es eindeutig diese Drecksarbeit von Verbündeten erledigen zu lassen. Darüber hinaus gibt es keine Anzeichen für eine Bemühung, um den LNG-Tankschiff Verkehr von Katar zu blockieren. Obwohl, Ägypten der Anti-Katar-Koalition beigetreten war hat es keine LNG-Tankschiffe daran gehindert katarisches Gas über den Suez Kanal zu transportieren.

Trotzdem war die katarische-Führung so beunruhigt, dass sie nicht einmal ihren Außenminister nach Moskau entsandt haben. Nichtsdestoweniger, wenn man bedenkt, dass Saudi-Arabien auf die Unterstützung der Türkei von Katar reagiert hat, indem sie der kurdischen Angelegenheit ihre eigene Unterstützung zugesagt hat (bisher nur in Worten) scheint es das Russland, die Türkei und viele andere Länder es nicht erleben wollen das Katar gefügig gemacht wird. Sprecher des russischen Militärs stellten auch fest, dass der Krieg in Syrien in seiner Intensität stark abgenommen hat, weil sich die von Katar und Saudi-Arabien unterstützten Rebellen nun in einer sehr verwirrten Lage befinden in der nicht mehr klar ersichtlich ist, wer der eigentliche Feind darstellt, die syrischen Einheiten oder andere Rebellengruppierungen. Doch die Situation entwickelt sich in Zukunft, es ist sehr unwahrscheinlich das Katar ein nahe Vertrauter eines jeglichen saudischen-Schemas werden wird. Stattdessen ist es eher wahrscheinlich das sich Katar allmählich von der saudischen Politik entfernt und seine Beziehungen zur Türkei und damit indirekt auch mit Russland und dem Iran stärkt.

Als endgültige Anmerkung, kommt man nicht darum den Fakt zu widerspiegeln, dass es sich hierbei um eine schwere und potentiell sehr gefährliche Konfrontation zwischen zwei, sehr wichtigen US-Verbündeten handelt. Wenn man bedenkt, dass sowohl Katar als auch Saudi-Arabien Mitglieder der “Free World” (sic) sind von der die USA der unangefochtene Führer sind spricht die Tatsache, das es zwischen diesen Mitgliedern zu einigen politischen Meinungsverschiedenheiten kommt die nicht mehr mit Blockierungen und Kriegsdrohungen bewältigt werden können nicht unbedingt für die Fähigkeiten der USA um ihr Reich weiterhin verwalten zu können sprechen. Während es zwischen Saudi-Arabien und Katar noch nie zu einem Konflikt dieser Stärke gekommen ist, ist der momentan laufende weit davon entfernt der einzige interne “Free World”-Konflikt zu sein, bei dem die USA anscheinend Machtlos sind, um ihn zu lösen. Wir haben bereits Brexit erlebt, die sich anbahnende “zwei-Drehzahlen-EU”, die Streitigkeiten zwischen der Türkei und der EU und der Türkei und der NATO, das Scheitern der multilateralen US-gesteuerten Handelsabkommen TTIP und TTP, und andere Schwächeanzeichen der USA.  Die Verwendung von Saudi-Arabien gegen Katar spricht dafür das die USA sich auf ein weiteres Modell der Reichsführung zubewegen, nämlich ihre Klientelstaaten zu “unterteilen und beherrschen”. Kurzfristig kann das auch erfolgreich verlaufen. Allerdings ist es die Wahrnehmung der US-Klientelstaaten, die sie dazu bringt Hilfe von Moskau anzufordern, was dann wiederum zu Erzählungen über die “Einmischung Russlands” führt, wie momentan auch im Fall von Katar.

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