Wie Russland sich auf den dritten Weltkrieg vorbereitet

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Ursprünglich erschienen bei The Vineyard Saker – Deutsche Version

vom Saker

How Russia is preparing for WWIII

Ich habe vor kurzem einen Artikel gepostet, in dem ich versuchte, einige beliebte Mythen über moderne Kriegsführung zu zerstören. Wenn ich nach den Kommentaren gehe, die ich in Erwiderung auf diesen Text erhalten habe, muss ich sagen, dass die besagten Mythen immer noch bei bester Gesundheit sind und dass es mir offenbar nicht gelungen ist, viele Leser zu überzeugen. Was ich heute vorschlagen will, ist, zu betrachten, was Russland wirklich als Antwort auf die wachsende Bedrohung aus dem Westen tut. Aber zuerst muss ich den Kontext dazu aufbauen, oder, genauer, den Kontext, in dem Russland agiert, wieder aufbauen. Fangen wir damit an, die anglozionistische Politik Russland gegenüber in den Blick zu nehmen.

Die Handlungen des Westens

Das erste auf dieser Liste ist unverkennbar die Eroberung ganz Osteuropas durch die NATO. Ich rede von Eroberung, weil es sich genau darum handelt, aber eine Eroberung, die nach den Regeln der Kriegsführung des 21. Jahrhunderts erreicht wurde, die ich als „80% auf dem Feld der Information, 15% auf dem der Wirtschaft und 5% auf dem des Militärs“ beschrieben habe. Ja, ich weiß, die guten Leute in Osteuropa haben nur davon geträumt, von USA/NATO/EU etc. unterworfen zu werden – und wenn? Jeder, der Sun Tsu gelesen hat, erkennt sofort, dass dieser tiefe Wunsch, von den anglozionistischen „Borg“ assimiliert zu werden, nichts anderes ist als das Ergebnis einer zerstörten eigenen Identität eines tief sitzenden Minderwertigkeitskomplexes und daher eine Kapitulation, die nicht einmal mit militärischen Mitteln herbeigeführt werden musste. Letztlich macht es keinen Unterschied, was die Ortsansässigen zu erreichen glaubten – jetzt sind sie Untertanen des Empire und ihre Länder sind mehr oder weniger irrelevante Kolonien am Rande des anglozionistischen Empire. Wie üblich schäumt die örtliche Kompradorenelite über vor Stolz, jetzt von ihren neuen Herren als gleichrangig akzeptiert zu werden, wie sie denken (stellt euch dabei Poroschenko, Tusk oder Grybauskaite vor), und das gibt ihnen den Mut, Moskau hinter dem NATO-Zaun heraus anzukläffen. Gut für sie.

Das zweite ist die jetzt vollständige Kolonisation Westeuropas durch das Empire. Während sich die NATO nach Osten bewegte, haben die USA auch eine weit tiefere Kontrolle über Westeuropa ergriffen, das jetzt für das Empire durch jene verwaltet wird, die der ehemalige Londoner Bürgermeister einmal „großes formloses rückgratloses protoplasmisches Gelee“ nannte – gesichtslose Bürokraten wie Françoise Hollande oder Angela Merkel.

Drittens, das Empire hat halb-dämonischen Kreaturen von al-Khattab bis Nadeschda Sawtschenko seine völlige Unterstützung gegeben. Die Politik des Westens ist kristallklar und extrem simpel: wenn es antirussisch ist, stehen wir dahinter. Diese Politik zeigt sich am deutlichsten an der Kampagne, Putin und Russland zu dämonisieren, die meiner Meinung nach weit schlimmer und hysterischer ist als alles während des Kalten Krieges.

Viertens, der Westen hat eine Reihe recht beunruhigender militärischer Bewegungen durchgeführt, einschließlich der Installation der ersten Elemente eines Anti-Raketen-Systems in Osteuropa, der Verlegung verschiedener Formen schneller Reaktionskräfte, des Einsatzes einiger gepanzerter Truppen etc. Die NATO hat jetzt nach vorn verlagerte Kommandoposten, die genutzt werden können, um den Einsatz einer schnellen Reaktionstruppe zu unterstützen.

Was ist die Summe aus all dem?

Bis jetzt nicht wirklich viel. Ja, die NATO-Bewegung bis direkt an die russische Grenze ist höchst provokativ, aber primär im politischen Sinne. Rein militärisch gesehen ist das nicht nur eine sehr blöde Idee (siehe Klischee Nr. 6 hier), auch die Größe der tatsächlich verlagerten Truppen ist wirklich winzig, das Anti-Raketen-System, das gegenwärtig eingesetzt wird, kann im besten Falle hoffen, einige wenige Raketen abzufangen (10-20 je nach Berechnung), und die konventionellen Kräfte haben Bataillonsgröße (mehr oder weniger 600 Soldaten plus Unterstützung). Also gibt es gegenwärtig wirklich keine echte militärische Bedrohung Russlands.

Also warum sind die Russen dann so sichtlich empört?

Weil die gegenwärtigen Schritte der USA/der NATO durchaus nur die ersten Schritte einer weit größeren Anstrengung sein können, die nach ausreichend Zeit durchaus eine sehr reale Bedrohung für Russland werden kann.

Mehr noch, die Art der Rhetorik, die jetzt aus dem Westen dringt, ist nicht nur militaristisch und russophob, sie ist oft geradewegs messianisch. Das letzte Mal, als der Westen einen Anfall seines tausend Jahre alten chronischen „messianischen Syndroms“ hatte, verlor Russland 20 (bis 30) Millionen Menschen. Man kann es den Russen also nachsehen, wenn sie sehr gut zuhören, was die anglozionistische Propaganda gerade über sie sagt.

Was die Russen am meisten anwidert, ist die Rekolonisierung Westeuropas. Die Tage, als Leute wie Charles de Gaulle, Helmut Schmidt oder François Mitterand für Europas Zukunft verantwortlich waren, sind lange her. Auch wenn sie sehr reale Fehler hatten, diese Männer waren zumindest wirkliche Patrioten und nicht nur Kolonialverwalter der USA. Der „Verlust“ Westeuropas bereitet den Russen weit mehr Sorgen als die Tatsache, dass die ehemaligen sowjetischen Kolonien in Osteuropa jetzt unter US-Kolonialverwaltung stehen. Warum?

Man muss sich das vom russischen Standpunkt ansehen.

Die Russen sehen alle, dass die Macht der USA im Abstieg ist und dass der Dollar früher oder später, schrittweise oder plötzlich, seine Rolle als Weltleitwährung des Planeten verlieren wird (der Prozess hat bereits begonnen). Einfach gesagt – wenn die USA keinen Weg finden, die jetzige internationale Dynamik entscheidend zu ändern, dann wird das anglozionistische Empire zusammenbrechen. Die Russen glauben, dass die Amerikaner im günstigsten Falle die Spannungen mit Russland nutzen, um eine zweite Version des kalten Krieges zu beginnen, im ungünstigsten aber, um tatsächlich einen militärischen Krieg in Europa zu starten.

Der Hintergrund der zunehmenden Truppenverlagerungen an die russische Grenze besteht also aus einem absteigenden Empire mit einem drängenden Bedürfnis nach einer größeren Krise, einem rückgratlosen Westeuropa, das unfähig ist, sich für seine eigenen Interessen einzusetzen, einem unterwürfigen Osteuropa, das geradezu darum bettelt, zum gewaltigen Schlachtfeld zwischen Ost und West zu werden, und einer messianischen, tollwütig russophoben Rhetorik. Überrascht es wirklich jemanden, dass die Russen all das sehr ernst nehmen, selbst wenn die militärische Bedrohung im Grunde nicht existiert?

Die russische Reaktion

Untersuchen wir jetzt die russische Reaktion auf die Haltung des Empire.

Zuerst, die Russen wollen absolut sicher stellen , dass die Amerikaner sich nicht der Illusion hingeben können, ein ausgewachsener Krieg in Europa wäre wie der zweite Weltkrieg, in dem die USA daheim nur einige kleine, fast symbolische Angriffe des Gegners erlebten. Da ein großer Krieg in Europa die schiere Existenz des russischen Staates und der russischen Nation bedrohen würde, unternehmen die Russen nun Maßnahmen, um absolut sicherzustellen, dass die USA, würde es dazu kommen, einen enormen Preis für einen solchen Angriff zahlen würden.

Zweitens gehen die Russen offenbar davon aus, dass sich in absehbarer Zukunft eine konventionelle Bedrohung durch den Westen verkörpern könnte. Daher ergreifen sie die erforderlichen Maßnahmen, eine solche konventionelle Bedrohung zu kontern.

Drittens, da die Vereinigten Staaten fest entschlossen scheinen, ein System gegen ballistische Raketen nicht nur in Europa, sondern auch in Fernost einzusetzen, ergreifen die Russen die Maßnahmen, dieses System sowohl zu schlagen als auch zu umgehen.

Die russischen Bemühungen sind enorm und komplex, und umfassen beinahe jeden Aspekt der russischen Truppenplanung, aber es gibt vier Beispiele, die meiner Meinung nach am besten die russische Entschlossenheit illustrieren, keinen zweiten 22.Juni 1941 geschehen zu lassen:

  • Die Schaffung der 1. Garde-Panzerarmee (in Arbeit)
  • Die Stationierung des Iskander-M operationell-taktischen Raketensystems (erledigt)
  • Die Stationierung der Sarmat Interkontinentalraketen (in Arbeit)
  • Die Stationierung der Status-6 strategischen Torpedos (in Arbeit)

Die Wiedererschaffung der 1. Garde-Panzerarmee

Es ist schwer zu glauben, aber zwischen 1991 und 2016 hatte Russland in seinem westlichen Militärdistrikt keine einzige größere Formation (Divisionsgröße und darüber). Einige Brigaden, Regimenter und Bataillone, die nominell „Armee“ genannt wurden. Schlicht gesagt – Russland war offenbar nicht der Überzeugung, es gebe eine konventionelle militärische Bedrohung aus dem Westen und verschwendete daher keine Energie darauf, eine irgend bedeutende militärische Truppe zu stationieren, um vor einer solch nicht-existenten Bedrohung zu schützen. Nebenbei, diese Tatsache sollte euch alles sagen, was ihr über russische Pläne, in die Ukraine, Polen oder das Baltikum einzumarschieren, wissen müsst: das ist völliger Blödsinn. Jetzt hat sich das dramatisch geändert.

Russland hat offiziell verkündet dass die 1. Garde-Panzerarmee (eine Einheit mit einer angesehenen und sehr symbolischen Geschichte) wieder erschaffen wird. Diese Garde-Panzerarmee wird jetzt die 4. Gardepanzerdivision „Kantemirow“, die 2. Garde-Motorschützendivision „Taman“, die 6. Panzerbrigade, die 27. Garde-Motorschützendivision Sewastopol und viele unterstützende Einheiten umfassen. Das Hauptquartier dieser Armee wird im Moskauer Vorort Odinstowo angesiedelt. Gegenwärtig ist die Armee mit t-73B3 und T-80 Kampfpanzern ausgerüstet, aber diese werden durch die brandneuen und revolutionären T-14 Armata Kampfpanzer ersetzt werden, und auch die jetzigen Schützenpanzer und gepanzerten Truppentransporter werden durch neue Modelle (hier und hier)ersetzt. Aus der Luft werden diese gepanzerten Einheiten durch Mi-28 und Ka-52 Angriffshubschrauber geschützt und unterstützt. Täuscht euch nicht, das wird eine sehr große Truppe, genau die Art von Truppe, die es braucht, um angreifende gegnerische Truppen zu durchbrechen (nebenbei, die 1GPA nahm an der Schlacht von Kursk teil). Ich bin mir ziemlich sicher, wenn die 1. Garde-Panzerarmee fertig organisiert ist, wird sie die mächtigste gepanzerte Einheit auf der Strecke zwischen dem Atlantik und dem Ural (insbesondere qualitativ). Wenn die gegenwärtigen Spannungen anhalten oder sich gar verschlimmern, könnten die Russen die 1. Garde-Panzerarmee sogar zu einer Art „Schock-Armee“ des 21. Jahrhunderts erweitern, mit erhöhter Mobilität, die sich darauf spezialisiert, tief in die feindliche Verteidigung einzudringen.

Die Stationierung des operationell-taktischen Raketensystems Iskander-M

Das neue operationell-taktische Raketensystem Iskander-M ist nach jedem Maßstab eine beeindruckende Waffe. Obwohl es sich technisch um Kurzstreckenraketen handelt (unter 1000 km Reichweite; offiziell hat Iskander-M eine Reichweite von 500km), kann es auch R-500 Raketen abfeuern, und hat damit die Fähigkeit, auf mittlere/operationelle Reichweite zu treffen (über 1000 km; die Reichweite der R-500 beträgt 2 000 km). Diese ist extrem treffgenau, hat hochentwickelte Fähigkeiten zur Abwehr ballistischer Raketen, fliegt mit Überschallgeschwindigkeit und ist am Boden praktisch nicht zu entdecken. Das wird die Rakete sein, deren Aufgabe es ist, alle Einheiten und die gesamte Ausrüstung zu zerstören, die die USA und die NATO in Osteuropa nach vorne verlegt haben, und, falls nötig, den Weg für die 1. Garde-Panzerarmee freizumachen.

Die Stationierung der Sarmat Interkontinentalraketen

Weder die 1. Garde-Panzerarmee noch die Iskander-M Raketen werden die USA selbst in irgendeiner Weise bedrohen. Russland brauchte daher einen Typ Waffe, die das Pentagon und das Weiße Haus in Angst versetzten könnte, ähnlich wie es die berühmten RS-36 Wojwoda (oder SS-18 „Satan“ in der US-Klassifikation) im Kalten Krieg tat. Die SS-18, die mächtigste je entwickelte Interkontinentalrakete, war erschreckend genug. Die RS-28 Sarmat (oder SS-X-30 nach NATO-Klassifikation) hebt den Schrecken auf ein völlig neues Niveau.

Die Sarmat ist nichts weniger als faszinierend. Sie wird fähig sein, 10-15 MIRV Sprengköpfe zu tragen, die in einer sogenannten „deprimierten“ (suborbitalen) Flugbahn abgesetzt werden und die bei Überschallgeschwindigkeit manövrierfähig bleiben. Die Rakete muss nicht die typische Flugbahn über den Nordpol nutzen, sondern kann jedes Ziel irgendwo auf dem Planeten auf jeder denkbaren Flugbahn erreichen. All diese Elemente miteinander werden es unmöglich machen, die Sarmat selbst und ihre Sprengköpfe abzufangen.

Die Sarmat wird ebenfalls fähig sein, konventionelle Iu-71 Überschall-Gefechtsköpfe abzusetzen, die einen „kinetischen Schlag“ ausführen können, der genutzt werden kann, um ein befestigtes feindliches Ziel in einem nicht-nuklearen Konflikt zu treffen. Das wird durch die erstaunliche Genauigkeit der Gefechtsköpfe der Sarmat möglich, die, wie wir jetzt dank einer neueren russischen Leckage wissen, eine Treffgenauigkeit von 10 Metern besitzen (siehe Screenshot).

Sarmat-MIRV-CEP-300x99Die Silos der Sarmats werden durch einzigartige „aktive Schutzmaßnahmen“ geschützt, die unter anderem hundert Geschütze umfassen, die im Stande sind, eine „metallische Wolke“ von vierzigtausend 30mm- „Kugeln“ bis in eine Höhe von 6 km zu schießen. Die Russen planen ebenfalls, die Sarmat mit ihrem neuen S-500 Luftabwehrsystem zu schützen. Schließlich beträgt die Startvorlaufzeit der Sarmat dank eines hoch automatisierten Startsystems weniger als 60 Sekunden. Das alles bedeutet, dass die Sarmat-Rakete in ihrem Silo unverwundbar sein wird, aber auch während des Fluges und beim Wiedereintritt in die tieferen Schichten der Atmosphäre.

Es ist eine interessante Beobachtung, dass die Russen, während die USA ein enormes Geschrei um ihr geplantes „Prompt Global Strike“-System erhoben haben, bereits angefangen haben, ihre eigene Version dieses Konzeptes zu stationieren.

Die Stationierung des strategischen Torpedos Status 6

Erinnert ihr euch an die sorgfältig inszenierte „Leckage“ letzten November, als die Russen ‘versehentlich’ ein super-geheimes strategisches Torpedo in den Hauptnachrichten zeigten? Hier ist das berühmt-berüchtigte Bild:

Status6-2015

Was hier gezeigt wird, ist ein „autonomes Unterwasser-Fahrzeug“, das fortgeschrittene Navigationsfähigkeiten besitzt, aber ebenfalls durch ein spezialisiertes Kommandomodul ferngesteuert werden kann. Dieses Fahrzeug kann tausend Meter tief tauchen, bei einer Geschwindigkeit von bis zu 185 km/h, und hat eine Reichweite von bis zu 10 000 km. Es wird durch speziell konfigurierte U-Boote abgesetzt.

Das Status-6-System kann gebraucht werden, um Flugzeugträgergruppen anzugreifen, US-Marinebasen (insbesondere Stützpunkte für U-Boote mit Nuklearraketen), und es kann, in seiner beängstigendsten Konfiguration, gebraucht werden, um hoch-radioaktive Kobaltbomben abzusetzen, die große Landstriche verwüsten können. Das Trägersystem Status-6 wäre eine neue Version des Torpedos T-15, 24 Meter lang, 1,5 Meter breit, 40 Tonnen schwer und fähig, einen Sprengkopf von 100 Megatonnen abzusetzen, was es zweimal so mächtig machen würde wie den mächtigsten Sprengkopf, der je detoniert ist, die sowjetische Zar-Bombe (57 Megatonnen). Die Bombe von Hiroshima hatte nur 15 Kilotonnen.

Denkt daran, dass die meisten Städte und Industriezentren der USA entlang der Küste liegen, was sie extrem verwundbar für Angriffe durch Torpedos macht (sei es die von Sacharow vorgeschlagene ‘Tsunami’-Bombe oder das Status 6-System). Und, wie im Fall der Iskander-M oder der Sarmat-Raketen, würde die Tiefe und die Geschwindigkeit des Status 6-Torpedos es jeder Abfangmöglichkeit gegenüber unverwundbar machen.

Bewertung:

In all dem Obigen ist nichts Neues, und die Militärkommandeure der USA haben das immer gewusst. All die Abwehrsysteme gegen ballistische Raketen der USA waren immer vor allem ein finanzieller Betrug, von Reagans „Krieg der Sterne“ bis zu Obamas „Abwehrschirm gegen iranische Raketen“. So ist etwa jedes Raketenabwehrsystem durch „örtliche Sättigung“ zu überwinden. Wenn man X Raketen hat, die einen langen Raum Y gegen X Raketen abschirmen, dann muss man nur einen Abschnitt des Raums Y mit einer hohen Zahl echter und falscher Raketen sättigen, indem sie alle miteinander durch einen kleinen Abschnitt des Raums Y gefeuert werden, die das ABM-System schützen soll. Und es gibt noch viele weitere Maßnahmen, die die Russen ergreifen könnten. Sie könnten schlicht ein einziges U-Boot, das ballistische Raketen abschießen kann, im Baikalsee stationieren und damit im Grunde unverwundbar machen. Diese Idee wird in Russland bereits diskutiert. Eine andere sehr gute Möglichkeit wäre eine Reaktivierung der sowjetischen BzhRK eisenbahngestützten Interkontinentalraketen. Viel Glück damit, sie im riesigen russischen Eisenbahnnetz zu finden. Tatsächlich haben die Russen viele billige und wirksame Maßnahmen. Soll ich noch einige mehr aufführen?

Sicher!

Nehmen wir die Kalibr Lenkraketen, die vor kurzem im Krieg in Syrien zu sehen waren. Wisst ihr, dass sie aus einem typischen kommerziellen Container abgefeuert werden können, genau solchen, wie ihr sie auf Lastwägen, Zügen oder Schiffen seht? Schaut euch dieses exzellente Video an, das das erklärt:

Erinnert euch, dass die Kalibr eine Reichweite irgendwo zwischen 50 und 4000 km hat und dass sie einen Nuklearsprengkopf tragen kann. Wie schwer wäre es für Russland, diese Lenkraketen direkt vor der Küste der USA auf regulären Containerschiffen zu stationieren? Das ist ein System, das so unentdeckbar ist, dass die Russen es vor der Küste Australiens stationieren könnten, um die NSA-Station in Alice Springs zu treffen, wenn ihnen danach wäre, und niemand könnte es auch nur ahnen.

In Wirklichkeit ist die Vorstellung, die USA könnten einen Krieg gegen Russland (oder auch gegen China) entfachen und keine Konsequenzen in den USA selbst spüren müssen, absolut lächerlich. Und doch, wenn ich das ganze verrückte Gerede westlicher Politiker und Generäle höre, bleibt bei mir der Eindruck, sie hätten diese nicht zu leugnende Tatsache vergessen. Offen gesagt, selbst die jetzigen Drohungen gegen Russland fühlen sich „halbherzig“ an: ein Bataillon hier, ein anderes dort, ein paar Raketen hier, ein paar weitere dort. Als würden die Herrscher des Empire nicht realisieren, dass es ein sehr, sehr dummer Einfall ist, ständig einen Bären zu reizen, wenn man nur ein Taschenmesser dabei hat. Manchmal erinnert mich die Reaktion der westlichen Politiker an jene Räuber, die versuchen, eine Tankstelle mit einer Spielzeugpistole oder einer ungeladenen Waffe zu überfallen, und dann völlig verblüfft sind, wenn sie vom Tankstellenbesitzer oder der Polizei niedergeschossen werden. Diese Art Räuberei ist nichts anderes als eine Variante von „Selbstmord durch Polizei“, die nie gut für jene endet, die versuchen, damit durchzukommen.

Manchmal müssen Dinge direkt und unzweideutig ausgesprochen werden: westliche Politiker sollten lieber nicht an ihre eigene imperiale Überheblichkeit glauben. Bis jetzt haben all ihre Drohungen nur erreicht, dass die Russen mit vielen, aber nutzlosen verbalen Protesten antworteten, und mit einem ausgewachsenen Programm, um Russland auf den dritten Weltkrieg vorzubereiten.

Wie ich es schon oft geschrieben habe, die Russen fürchten den Krieg sehr und sind bereit, fast alles zu tun, um ihn zu vermeiden. Aber sie sind auch zum Krieg bereit. Das ist ein einzigartiger kultureller Zug Russlands, den der Westen in den letzten tausend Jahren unzählige Male missverstanden hat. Immer wieder haben die Europäer Russland angegriffen, nur um sich in einem Kampf wiederzufinden, den sie sich nicht hätten vorstellen können, nicht in ihren übelsten Alpträumen. Darum sagen die Russen gerne, „Russland fängt nie Kriege an, es beendet sie nur.“

Es gibt eine tiefe kulturelle Kluft dazwischen, wie der Westen Kriegsführung sieht, und wie die Russen sie sehen. Im Westen ist der Krieg tatsächlich „die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Für Russen ist er ein schonungsloser Kampf ums Überleben. Schaut euch nur die Generäle im Westen an: sie sind glatt geschliffene Manager mit guten Manieren, die viel mehr an Konzernführungen erinnern als an, sagen wir, Mafiabosse. Schaut euch russische Generäle an (beispielsweise auf der Parade zum Tag des Sieges in Moskau). Im Vergleich mit ihren westlichen Kollegen wirken sie geradezu brutal, weil sie vor allem anderem schonungslose und berechnende Killer sind. Ich meine das nicht negativ – sie sind oft persönlich sehr ehrenwerte und sogar freundliche Männer, und wie jeder gute Kommandeur, sorgen sie für ihre Männer und lieben ihr Land. Aber ihr Geschäft ist nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, ihr Geschäft ist das Überleben. Um jeden Preis.

Man kann ein Militär, oder, was das betrifft, eine Nation, nicht danach bewerten, wie es sich benimmt, wenn es triumphiert, wenn es in der Offensive ist und einen geschlagenen Feind verfolgt. Alle Armeen sehen gut aus, wenn sie siegen. Die Natur eines Militärs oder eine Nation kann man nur in ihrer dunkelsten Stunde beurteilen, wenn die Dinge schrecklich sind und die Lage schlimmer als katastrophal. Das war 1995 der Fall, als das Jelzin-Regime einem völlig unvorbereiteten, demoralisierten, schlecht ausgebildeten, schlecht ernährten, schlecht ausgerüsteten und völlig desorganisierten russischen Militär (nun, einigen hastig zusammengestellten Einheiten) befahl, Grosny von den Tschetschenen einzunehmen. Es war die Hölle auf Erden. Hier einige Aufnahmen von General Lew Rochlin in einer hastig organisierten Kommandostellung in einem Keller in Grosny. Er ist ebenso erschöpft, schmutzig und ausgesetzt wie jeder seiner Soldaten. Schaut in sein Gesicht und in die Gesichter der Männer um ihn herum. So sieht die russische Armee aus, wenn sie in der Tiefe der Hölle ist, von den Verrätern, die im Kreml sitzen, verraten wurde und vom größten Teil des russischen Volkes im Stich gelassen (das 1995, ich erinnere hier ungern daran, vor allem von McDonalds und Michael Jackson träumte).

Könnt ihr euch vorstellen, wie General Wesley Clark oder David Petraeus kämpfen wie diese Männer ?

Schaut euch dieses Video an, in dem General Schamanow einem örtlichen tschetschenischen Politiker das Aufstandsgesetz vorliest (das bedarf keiner Übersetzung):

Vladimir_Shamanov._Cabinet_photo-200x300Schamanow ist heute der oberste Kommandierende der Luftlandetruppen, deren Größe Putin still auf 72 000 verdoppelte, etwas, das ich früher schon als sehr bedeutend erwähnt hatte, vor allem im Vergleich zu den eher lauwarmen Truppenverstärkungen, die die NATO verkündet hat (siehe „Selbstmord der EU durch Wirklichkeitsverleugnung“). Ein Gefühl für die modernen russischen Luftlandetruppen erhaltet ihr hier.

Es ist hier nicht meine Absicht, einen Atomkrieg oder die russischen Streitkräfte zu glorifizieren. Der Grund für diesen Artikel, und viele andere, ist, über das, was ich heute sehe, Alarm zu schlagen. Die westlichen Führer sind von ihrer eigenen imperialen Überheblichkeit besoffen, Nationen, die man früher für kleinere Flecken auf der Karte hielt, fühlen sich jetzt ermuntert, beständig eine nukleare Supermacht zu provozieren, die Amerikaner werden angelogen und man verspricht ihnen, irgendeine magische High-Tech-Waffe würde sie vor Krieg schützen,.während die Russen sich ernstlich auf den dritten Weltkrieg vorbereiten, weil sie zu dem Schluss gekommen sind, der einzige Weg, diesen Krieg zu verhindern, bestünde darin, es den Anglozionisten unmissverständlich und absolut klar zu machen, dass sie einen Krieg gegen Russland nicht überleben werden, selbst wenn jeder einzelne Russe umkommt.

Ich erinnere mich gut an den kalten Krieg. Ich war ein Teil davon. Und ich erinnere mich, dass die überwiegende Mehrheit von uns, auf beiden Seiten, begriffen hatte, dass ein Krieg zwischen Russland und dem Westen um jeden Preis vermieden werden muss. Ich bin entsetzt, wenn ich jetzt Artikel lese, in denen höhere Funktionäre ernsthaft eine solche Möglichkeit diskutieren.

Lest nur diesen Artikel, bitte: Wie würde ein Krieg zwischen der EU und Russland aussehen?
Das ist es, was dieser Kerl schreibt:

Für die dichterisch Veranlagten ähnelt das russische Militär eher einer gigantischen Piratenmannschaft als einer regulären Armee. Es herrschen die mit dem schärfsten Säbel und dem größten Mundwerk, typischerweise irgend ein skorbutzerfressener Maat, der sich auf die Unterstützung seiner Spießgesellen verlassen kann, um jeden unbeliebten „Offizier“ über die Planke gehen zu lassen… oder, das passt besser, sie erinnern an die Mitglieder der Kosakenhorden, geführt von den dreistesten Kriegern… Auch wenn diese Truppen sehr tapfer sein können, manchmal, sie sind auf dem Feld nicht wirkungsvoll gegen eine gut geregelte und ausgebildete moderne Militärmaschine. Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich, nein, unmöglich für gewöhnliche russische Truppen, Einsätze von größerer Konsequenz auf einer höheren Ebene als der eines Zugs durchzuführen gegen disziplinierte Armeen, insbesondere die US-amerikanische, die britische, deutsche oder französische.

The-dream-of-the-West

Solches Geschreibe macht mir wirklich Angst. Nicht, weil es schwachsinnig und dumm rassistisch ist, sondern weil so etwas in den Mainstream-Medien nicht in Frage gestellt wird. Nicht nur das, es gibt viele solcher Artikel, die andernorts geschrieben werden. Natürlich verdienen die Autoren dieser Art von „Analysen“ ihr Geld mit genau diesem manischen Bejubeln der westlichen Truppen, aber das ist genau die Denkweise, die Napoleon und Hitler in Schwierigkeiten brachte und damit endete, dass russische Truppen in Paris und in Berlin stationiert waren. Man vergleiche diesen chauvinistischen und, offen, unverantwortlichen Unsinn mit dem, was ein echter Militärkommandeur, Montgomery, zu dem Thema zu sagen hatte:

Der nächste Landkrieg wird sich vom letzten sehr unterscheiden, denn wir werden in ihm auf andere Art kämpfen müssen. Um in dieser Frage eine Entscheidung zu erreichen, müssen wir uns über bestimme Regeln des Krieges klar sein. Regel 1 auf Seite 1 des Kriegsbuchs ist „Marschiere nicht auf Moskau“. Verschiedene Leute haben das versucht, Napoleon und Hitler, und es von Übel. Das ist die erste Regel.

Also wem traut ihr? Professionellen Jubelpersern oder professionellen Soldaten? Glaubt ihr wirklich, dass Obama (oder Hillary), Merkel und Hollande es besser machen als Napoleon oder Hitler?

Wenn der anglozionistische ‘tiefe Staat’ wirklich verblendet genug ist, einen Krieg mit Russland auszulösen, in Europa oder irgendwo anders, dann wird der narzisstische und hedonistische Westen, der von seiner eigenen Propaganda und Hybris trunken ist, ein Niveau von Gewalt und Krieg entdecken, das er sich nicht einmal vorstellen kann, und es wäre großartig, wenn das nur jene betreffen würde, die für diese rücksichtslose und selbstmörderische Politik verantwortlich sind. Aber das Problem ist, dass natürlich viele Millionen von uns, einfache, normale Leute, darunter leiden und daran sterben werden, als Konsequenz unseres kollektiven Versagens, dieses Ergebnis zu verhindern. Ich hoffe darauf und bete darum, dass meine wiederholten Warnungen zumindest zu der hoffentlich wachsenden Erkenntnis beitragen, dass dieser Wahnsinn sofort aufgehalten werden, und dass die geistige Gesundheit in die Politik zurückkehren muss.

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