Analyse von J.Hawk; Original veröffentlicht von SouthFront Eng; Übersetzung von Burckhard Eilers
Die letzten paar Jahre haben einen eher ungesunden Anstieg des Interesses an dem Konzept des sogenannten “Intermarium”, oder eine Allianz oder einen Block von Ländern gesehen, die eine Brücke von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer schlagen wollen, auch wenn einige Variationen über das Thema weiter weg gehen. Dieses Konzept wurde plötzlich in mehreren Ländern populär, was ausreichend ist, um eine genauere Analyse zu rechtfertigen und zu bewerten, welche neuen Pläne es gibt, die Karte von Europa, oder zumindest seine Einflusssphären, neu zu zeichnen.
Das Konzept hat seine Anhänger in den USA, vor allem auf inoffizieller Ebene, seitdem die U.S.A. und die NATO offiziell “heilige Kühe”sind, aber ohne die geringste Spur eines erlaubten Hinweises, das die US-Regierung Hamburger aus ihnen machen will. Dies hält die inoffiziellen “Versuchsballon Floater” nicht davon ab, ihren großen Tag zu haben:
Hier ist die Version von Stratfor, die ziemlich konventionell und einfallslos (George Friedmans verräterische Qualitäten) ist, da sie meist aus NATO Staaten mit einigen US-freundlichen Kaukasus Zubehör besteht. Die “neue Eindämmung ” von Friedman ist kaum mehr als eine Neuformulierung einer im Gang gehaltenen US-Politik als eine Vorhersage der zukünftigen politischen Neuausrichtungen.
Die Selous Foundation Version, verfasst von einem polnischen Schriftsteller, macht andererseits diesen speziellen Extraschritt und schließt nicht nur die Ukraine, sondern auch Weißrussland zu den üblichen Verdächtigen der NATO hinzu. Diese Version, oder etwas ähnliches, sollte mehr als “legitimes” Intermarium betrachtet werden, da es im Grunde ein polnisches Projekt ist, welches durch Dritte befürwortet werden kann oder nicht.
Tatsächlich hat es eine beträchtliche historische Herkunft, zu den Gedanken von Jozef Pilsudski zurückzugehen, der von der Wiederherstellung des “Commonwealth of Two Nations” des 17. Jahrhunderts in Form einer Konföderation träumte.
Um sicher zu sein, einige Versionen der Idee gehen noch ein paar Schritte weiter durch Einschließen von Ländern, die noch nie ein Teil des polnischen Staates waren. Bulgarien, allen Ernstes?
Eine weitere polnische Version, die ein ganzes Buch über das Thema rechtfertigt, (dass ist die Illustration des Bucheinbands, nebenbei bemerkt), erinnert ebenfalls an die Zeiten, als Polen durch eine Vielzahl von “Personalunionen ” (mehrere Staaten haben den gleichen König, nicht anders als die frühere österreichisch-ungarische Monarchie) mit mehreren anderen Entitäten Mitteleuropas verbunden war.
Im Extremfall bildet Intermarium eine Menge von Ländern ab, die zwischen Russland, Deutschland, der Ostsee und dem Schwarzen Meer eingeklemmt sind. Unter polnischer Hegemonie, natürlich.
Die realistischeren Varianten beschränken sich auf die Ukraine und eventuell Weissrussland, und natürlich zumindest einige der baltischen Staaten.
Ukrainische Version: Dies ist eine relativ neue Ergänzung, aber deutlich findet die Idee ein paar Anhänger im Land der Banderisten, deren Aussichten für den Beitritt der EU oder der NATO verschwindend klein sind.
Das neonazistische Regiment von Azov hat tatsächlich einen längeren Artikel dieser Idee gewidmet. Hier ist die Ukraine offensichtlich die führende Nation, mit anderen Ländern, die sich im Orbit um die Ukraine drehen. Dies ist ein Merkmal, typisch für alle Versionen von Intermarium: jede nationale Ausgabe geht davon aus, im Gegensatz zu allen logischen oder historischen Beweisen, dass andere Länder auf der Karte die “führende Rolle” ihres historischen Nachbarn akzeptieren werden und können sich nicht vorstellen, dass diese Rollen jemals rückgängig gemacht werden können. Kein Pole würde jemals zustimmen, Teil eines von der Ukraine dominierten Intermarium zu sein und kein Ukrainer würde es tolerieren, polnisch dominiert zu sein.
Aus diesem Grund, falls Intermarium, in was auch immer für Grenzen, jemals Gestalt annimmt, wird es eine externe Hegemonialmacht erfordern, die die Zusammenarbeit zwischen ihren Mitgliedern erzwingt. Das gilt für jeden historischen Präzedenzfall, einschließlich des polnischen Commonwealth und in jüngster Zeit Frankreichs geführte kleine Entente und, was entscheidend ist, Polen nicht enthielt.
Das gleiche galt für das Zwischenkriegskonzept des Cordon Sanitaire, ebenfalls von den Franzosen geführt, mit der Idee, die “marxistische Plage” in Grenzen zu halten das übrige Europa zu infizieren. Die meisten dieser Länder wurden zu gegebener Zeit Mitglieder der Achsenmächte und Teilnehmer an der deutschen Invasion der Sowjetunion, weshalb jede Wiederherstellung dieser Idee die logische Schlussfolgerung voraussetzt…
Der Satz wurde mit diesem bestimmten Zweck wiederbelebt :
Um sicher zu sein, in mancher Hinsicht gibt es “Intermarium” bereits heute in Form von östlicher Partnerschaft im Rahmen der deutschen EU-Schirmherrschaft, mit noch ehrgeizigerem Ziel, wie es zu einer Ostsee-Schwarzmeer -Kaspisches Meer Achse beiträgt. Es ist wohl kein Zufall, dass der Begriff des Intermarium zur Diskussion gestellt wird, gerade als das Konzept der östlichen Partnerschaft sinkt. Offensichtlich besteht für das Konzept die Notwendigkeit eines Neustarts. Aber wer macht den Neustart, und warum?
Man muss hier daran erinnern, dass Intermarium, zumindest in der polnischen Version (die am weitesten fortgeschritten ist und die größte offizielle Unterstützung hat), ebenso ein antideutsches wie auch anti-russisches Projekt ist. Der Zweck ist nicht nur Russland von Europa zu trennen, sondern ein Gebiet von feindlichen Ländern zwischen Russland und Deutschland zu schaffen, um beide daran zu hindern jemals eine Allianz zu bilden. Die Existenz von Intermarium würde so ziemlich jede Idee einer deutschen “Ostpolitik” in irgendeiner Form beenden, anders als das Verhandeln mit den ausländischen Sponsoren von Intermarium (das heißt, den USA und Großbritannien ) aus einer Position der Schwäche.
Aus polnischer Sicht ist die Idee attraktiv, sollte ein geeigneter internationaler Sponsor gefunden werden, wird Polen die bestimmende dominierende Regionalmacht in Mitteleuropa werden, was sich in einem größeren wirtschaftlichen und militärischen Einfluss auf kontinentaler Ebene übersetzen ließe. Die Schaffung der gemeinsamen polnisch-ukrainisch-litauischen Brigade (LITPOLUKRBRIG) ist Teil dieser breit angelegten Strategie, die auf die Schaffung eines Sub-NATO-Militärbündnis unter Führung Polens hinauslaufen würde. Die derzeitige polnische Regierung verfolgt eine gezielte Strategie sich nicht nur Russland zum Feind zu machen, sondern genau aus diesem Grund auch die EU (und insbesondere Deutschland), obwohl bis jetzt diese Strategie von der US-Regierung nicht gebilligt wurde. Aber zur gleichen Zeit sendet sie ermutigende Signale durch den Wunsch der Stationierung von US-Militärgerät und rotierenden Brigaden in Polen und anderen “Ostflanken” Ländern, sehr zum Verdruß Deutschlands. Deutschland wiederum versucht der US gesponserten Intermarium Vereinigung zu begegnen, indem es militärische Ausrüstung umsonst an die baltischen Staaten liefert, eigene Sicherheitsgarantien bietet und auch die Idee der gemeinsamen deutsch-polnischen Militäreinheiten gestartet hat, um seine eigene Ostpolitik Version vom Intermarium zu verfolgen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass Deutschland in der Lage sein wird, die USA zu überwiegen, da Polen und andere Länder dazu neigen, die englischsprachigen NATO-Staaten für Führung und Beratung zu suchen. Es ist noch nicht klar, welches Kiews Prioritäten sind, mit Ausnahme, dass eine Unterwerfung unter einer polnischen Herrschaft sicher ausgeschlossen werden kann. Durch die Brüskierung der EU wird sie natürlich in Richtung der USA gestoßen, obwohl Poroschenko gleichzeitg versucht, die US-Interventionen in Kiews Politik zu begrenzen. Allerdings kann man mit Sicherheit sagen, dass Kiew jedes Projekt unterzeichnen wird, das einen Geldfluss und / oder Waffen aus dem Westen verspricht.
Von der innenpolitischen Perspektive her gesehen hat Intermarium den Reiz, das jeder Anschein von Demokratie und Menschenrechte unter dem Vorwand der “Bekämpfung der russischen Aggression” beiseite geworfen werden kann, nicht anders als die Niederschlagung der bürgerlichen Freiheiten in den U.S.A. im Namen von “Sicherheit für die Amerikaner. ” Der Ukraine ist es gelungen,” den Mainstream“ aufrecht zu erhalten und seine Nazis ohne eine einzige Beschwerde aus dem Westen zu bewaffnen, die baltischen Republiken spielen die Farbe der selben Karte aus und sogar Polens” Territorialverteidigung ” scheint nach dem ukrainischen Muster der Experimente der „ freiwilligen Bataillone ” eng struktuiert zu werden, dass es aus “ideologisch zuverlässig” Elementen bestehen wird mit Schwerpunkt interne Meinungsverschiedenheiten zu unterdrücken. Die Silberstreif am Horizont ist hier, dass diese Länder anscheinend die Absicht haben, die autoritären Regime der Zwischenkriegszeit in Mitteleuropa aufs Neue wiederzubeleben , die den “Antikommunismus ” als Vorwand zur internen Repression verwendeten und nicht an militärischem Abenteurertum interessiert waren, bis sie durch Nazi-Deutschland dazu gezwungen wurden.
Werden die U.S.A. das Land sein, welches sie wieder hineinziehen werden? Im Moment gibt es wenig Hinweise dafür, dass die Vereinigten Staaten planen, beträchtliche Truppenkontingente in diesen Ländern aufzustellen, das Ziel scheint Eindämmung zu sein, ein neuer Eiserner Vorhang soll die von Russland geführte Eurasische Wirtschaftsunion von der EU trennen und möglichst die neue Seidenstraße vereiteln, um damit einen Wettbewerber der von den US-angeschobenen TTIP Vereinbarung zu verdrängen. Tatsächlich scheint es fast so, das ein Regimewechsel in Russland an Wichtigkeit verloren hat, das Ziel ist jetzt die EU zu isolieren und “einzuspinnen”, denn sie ist jetzt das Haupt- und bei weitem, das saftigste Ziel für die USA. Einmal von Russland und China isoliert, würde die EU zu wenig Verhandlungsmacht haben, den von den USA geförderten Handelsabkommen zu widerstehen. Sie ist ein zu verlockendes wirtschaftliches Ziel, um es den die USA zu erlauben, die EU aus ihrem Griff rutschen zu lassen.
Die Türkei hat auch ihre Rolle in dem Prozess gespielt. Die Flut der Flüchtlinge hat die Wirkung gehabt, den Zusammenhalt der EU zu untergraben und die zunehmende Anti-EU Stimmung in den Ländern Mitteleuropas zu erhöhen, in denen der muslimische Bevölkerungsanteil sehr klein ist.
Die Angst vor Muslimen, die sich in Mitteleuropa häuslich niederlassen, ist ausreichend, um diese Wählerschaften in die Hände von nationalistischen Parteien zu drängen, für die das Intermarium Konzept im wahrsten Sinne des Wortes die einzige plausible Alternative zur Flüchtlingspolitik der EU ist. Natürlich könnte ein Bündnis mit Russland das gleiche Ziel erreichen und hätte auch größere wirtschaftliche Vorteile als jeglicher Intermarium Handelsblock, aber die unaufhörliche und gut finanzierte antirussische Propaganda drängt solche Ansichten für den Augenblick an den Rand. Das Ziel der Türkei in all diesem ist die Wiederherstellung der eigenen neo-osmanischen Einflusssphäre, einschließlich des Balkans, wo Bosnien, Albanien und Kosovo seine natürlichen “Strohmänner” sind. Aber die Türkei kann keine größere Rolle spielen, solange der Zusammenhalt der EU gewährleistet ist. Jede Intermarium Bildung würde natürlich ein Machtvakuum auf dem Balkan schaffen, dass Ankara leicht ausfüllen könnte. Ankaras jüngste Flirts mit Kiew und Warschau legen nahe, dass die Türkei tatsächlich bereit sein könnte, sich der Sub-NATO Intermarium Allianz anzuschließen, und in der Tat sind einige prominente polnische Analysten so weit gegangen, die Türkei als Polens wichtigsten Verbündeten zu bezeichnen. Vorausgesetzt natürlich, dass Polens EU-Grenzen für die Migranten geschlossen sind.
Es ist zu früh zu sagen, wie viel von diesem Szenario kommen wird und wann. Polnischen und ukrainischen Gefühlen ungeachtet sind es letztlich die USA, die entscheiden, ob Intermarium kommen wird. Bis jetzt hat es kein offenes Interesse, trotz des offensichlichen Auswertens der Idee und der Erweiterung seiner Anwesenheit in Mitteleuropa, gezeigt. Deshalb, anstatt eine US-Politik im Moment zu sein, ist es eher ein Plan B der eingesetzt wird für den Fall das Plan A (welches der berüchtigte TTIP zu sein scheint) versagt. Allerdings sollte es große politische Umwälzungen in der EU oder in den USA-EU Beziehungen geben, wie beispielsweise eine Welle nationalistischer Führer die an die Macht kommen, den britischen Austritt aus der EU, das Scheitern von TTIP, der Zusammenbruch des Euros, zusätzliche Wellen von Flüchtlingen, der Zusammenbruch der Ukraine, oder einfach nur eine weitere Runde der US-EU Finanzkrise, könnten wir gerade den US-Versuch sehen, Europa in seine Umlaufbahn durch große Intermarium Stücke zu ziehen.