Tagebuch der ausländischen Politik – Die Türkei versucht neues osmanisches Reich zu werden

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Translated to German by Burckhard Eilers

Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre, dann ist Mustafa Kemals Traum von einem türkischen Nationalstaat zwar noch nicht tot, aber sicherlich wird er künstlich am Leben gehalten. Türkische Regierungen der letzten Zeit, besonders die von Präsident Erdogan, haben den Kurs der Türkei umgeformt in…..etwas anderes. Es ist noch nicht klar, wie die neue Türkei aussehen wird, obwohl es schon offensichtlich ist, dass dies ein Land ist, was enorme Ambitionen besitzt, wieder ein Kaiserreich zu werden.

Atatürks Türkei und seine Nachfolger betrieben während des Kalten Krieges eine ziemlich anspruchslose Außenpolitik. Das Land beteiligte sich nicht am 2. Weltkrieg, war ein am Rand liegendes Mitglied der NATO und war nicht beteiligt an den vielen Konflikten im Nahen Osten, obwohl es die beständigen Krisen und sogar die Konflikte mit Griechenland gab, die mit der Invasion von Zypern im Jahr 1974 ihren Höhepunkt erreichte. Die nationalistische Innenpolitik und konservative Außenpolitik der Türkei wurde eifersüchtig durch das türkische Militär behütet, welches Staatsstreiche herbeiführte, die somit das Vermächtnis Atatürks gefährdeten. Die USA. sahen diese Entwicklung mit Wohlwollen. Unter der de-facto Militärherrschaft war die Türkei ein stabiles Land an der Südflanke der NATO und mit seiner nach innen gerichteten Politik war es unwahrscheinlich, dass das Land eine Krise provozieren würde, welches einen vorstellbaren 3. Weltkrieg entfesseln könnte. Die Tatsache, dass die Türkei eine gemeinsame Grenze mit der UdSSR hatte, half auch, dass sie ein maßvolles Verhalten an den Tag legte.

All das änderte sich nach dem Ende des Kalten Krieges. Die USA waren nicht länger an der Innenpolitik der Türkei interessiert. Die Türkei hatte keine Grenze mehr zur Sowjetunion oder sogar zu Russland. Die Macht des Militärs begann, schwächer zu werden. Das erlaubte dem Land zum Islam zurückzugehen, wie es durch die bloße Existenz, und sogar durch den Erfolg der Wohlfahrtspartei (in der Erdogan seine politische Karriere begann) nachgewiesen wird und das auch in der Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei fortgesetzt wurde. Die türkische Prominenz, wie etwa Präsident Turgat Özal, der das 21. Jahrhundert als das Jahrhundert der Türkei ausrief oder Premierminister Süleymann Demirel, der von einer „türkischen Welt“ sprach, die sich von der Adria bis zur großen Mauer Chinas erstreckt, gaben der türkischen Elite eine Stimme für „Neuosmanische Ambitionen“. Die Türkei fing an sich vom ethnisch türkischen Nationalismus als Grundprinzip zu verabschieden und stattdessen den Islam als Bindeglied wahrzunehmen, welcher alle Völker des Staates zusammenbindet, was den Vorteil hat, möglicherweise die Grenzen auszuweiten und so möglichst viele seiner Nachbarn zu absorbieren. Nirgends war die Veränderung deutlicher als in Erdogans Aufruf, Kurden sind Kurden, anstatt Bergtürken, welche die erforderliche Bezeichnung seit Atatürks Zeiten war.

Bis vor Kurzem bestrebte sich die pantürkische Agenda weitgehend durch wohlwollende Mittel der Türkei „soft-power“ anzuwenden, beides durch die Institution des türkischen Rates, der 2009 gegründet wurde und mit Kasachstan, der Türkei, Kirgistan und Aserbaidschan bilaterale wirtschaftliche, kulturelle und politische Bindungen, welche auch Bildungs- und Kulturaustausch und andere Maßnahmen, einzugehen. Das türkische Eindringen in die nachsowjetischen muslimischen Gebiete wurde durch den Erfolg begründet, den die türkischen Unternehmen nach ihrer Niederlassung im postsowjetischen Markt hatten.

Doch Amerikas Misserfolge und die Destabilisierung des Iraks und die anschließenden Revolutionen des „arabischen Frühlings“ haben das türkische Interessenfeld ausgeweitet, es umfasst nun nahezu ganz Nordafrika (die Türkei unterhält enge Verbindungen zur Muslimbrüderschaft Ägyptens) und andere Gebiete des Mittleren Ostens. Der scheinbare Rückzug der USA aus dem Nahen Osten schafft ein Meer von Instabilität und ein Machtvakuum, welches die Türkei sehr tatkräftig auszufüllen sucht und sie ist sehr ungeduldig das zu tun, damit nicht eine andere Macht ihr bei dieser Aufgabe zuvorkommt. Das Zerwürfnis zwischen Russland und dem Westen, verursacht durch die Politik des Regimewechsels in der Ukraine durch den Westen und den nachfolgenden Sanktionen gegen Russland, zeigten Ankara auf, dass die Situation für eine türkische Expansion optimal ist, mit einem Fenster der Möglichkeit, welches wahrscheinlich nicht sehr lange offenbleiben würde.

Das Interesse an den Ländern, welche nicht von türkisch sprechenden Menschen bevölkert sind, deutet darauf hin, dass die pantürkische Agenda nun einen neo-osmanischen Begleiter hat; die Türkei bemüht sich, ihren Einfluss in alle Richtungen, einschließlich des Balkans, des Kaukasus, Zentralasien, den Nahen Osten und Nordafrika, zu erweitern. Darüber hinaus ist die Türkei nun bereit, diese Agenda nicht nur durch geduldige Diplomatie und „soft-power“ zu verfolgen, sondern durch Stellvertreterarmeen (wie Daesh) den Einfluss in den jeweiligen Gebieten zu erweitern und, falls nötig, durch direkte Anwendung militärischer Gewalt. So missbraucht der Pan-Osmanismus nicht nur Persiens und Russlands Interessen, sondern auch die Saudi-Arabiens, der EU (welche an der Stabilität auf dem Balkan interessiert ist) und sogar Israels, welches eher Interesse hätte von „Failed States“ umgeben zu sein, als durch eine vereinigte starke neu-ottomanische Entität. Angesichts dieser Auswirkungen würde Ankara gut beraten sein, die Vereinbarungen der Einflusssphären der beteiligten Parteien weiter zu verfolgen, bevor irgendwelche Militäraktionen durchgeführt werden, was jedoch nicht der Fall zu sein scheint, wenn man die Unterschiede innerhalb der Reihen der Anti-Assad-Koalition betrachtet. Das erscheint auch eher widersprüchlich zu Erdogans Persönlichkeit zu sein. Russland ist kaum das einzige Land, das sich durch die 180 Grad Drehung Erdogans verraten fühlt. Die Pläne der Türkei in Katar Militärstützpunkte zu etablieren (!) kann von Saudi-Arabien absolut nicht positiv bewertet werden, da es mit ziemlicher Sicherheit nicht wünscht, noch eine fremde Macht dort zu sehen, was sie selbst als ihren eigenen Hinterhof ansieht.

Selbst die USA scheinen durch diesen Umfang von Ankaras Ambitionen betroffen zu sein, danach zu urteilen, dass sie der Türkei befahl, die Positionen im Nordirak zu räumen und die Unwilligkeit der USA, dem NATO-Partner in den letzten Wochen zur Verteidigung zu Hilfe zu eilen nach dem Überfall auf den russischen SU-24 Bomber nahe der türkischen Grenze. Schließlich, anknüpfend an die Flüchtlingskrise, welche ganz und gar Erdogans Machwerk war, mit der Absicht, die EU zur Zustimmung von Ankaras mittleren Osten Plänen niederzuknüppeln, wird niemand mehr in dieser Organisation glauben, dass Erdogan ein verlässlicher Partner ist. Erdogans unberechenbare Politik scheint einen alarmierenden Effekt auf die EU gehabt zu haben, und zwar so sehr, dass der Westen, der normalerweise keine Sorgen mit Ausreden hat, um Sanktionen gegen Russland anzuordnen, nicht der Türkei zur Hilfe kam, als diese sich auf der Empfängerseite der wirtschaftlichen Beschränkungen Russlands sah.

Allerdings bedeuten die internen politischen Spannungen und Konflikte, dass Erdogan nicht fähig war, eine klare und fokussierte Politik des entweder Pantürkismus oder Neoosmanismus zu etablieren, mit dem Effekt den internationalen Ruf der Türkei in praktisch allen politisch relevanten Teilen der Welt, in der sie in kostspieligen Konflikten verwickelt ist, sich auf Gesichts wahrende Weise herauszuziehen. Das Dilemma der Türkei ist wahrscheinlich deswegen so groß, weil Russland so verwegen war, der Türkei wirtschaftliche Schmerzen als Vergeltung für „den Dolchstoß in den Rücken“ zuzufügen, überzeugt davon, dass die Türkei keine Freunde hat, Russland ihretwegen zu konfrontieren. In der Tat, die USA und besonders die EU scheinen fast zufrieden zu sein mit Russland, um der Türkei die Aufgabe zu stellen, ihr internationales Abenteurertum zu reduzieren. In Ermangelung eines ernsthaften Überdenkens der Prioritäten sind die pantürkischen und neoosmanischen Ambitionen der Türkei verantwortlich dafür, dass die Türkei einen schweren Rückschlag erleiden wird und zwei Jahrzehnte des Fortschritts rückgängig gemacht werden.

 

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