German text by Karin
Es gibt zwei wesentliche unbekannte Fragen im Bezug auf den Zusammenbruch der Beziehungen zwischen der Türkei und Russland nach dem Hinterhalt und Abschuss eines russischen Su-24-Bomber, am Himmel über Syrien. Die Erste ist, was für Ereignisse haben die türkische Führung dazu bewegt, sich auf einen Konfrontationskurs mit Russland zu begeben. Die Zweite ist, warum ist diese Eskalation nicht Monate früher gekommen, als Hmeimim weit anfälliger für türkischen Angriffe oder eine Blockade war.
Als russische Flugzeuge zuerst in Hmeimim ankamen, lief der Krieg schlecht für die syrische Regierung. Die Terroristen konnten große Fortschritte während der letzten Monate machen, und waren nah dran selbst für Damaskus eine Bedrohung zu sein. Die syrischen Streitkräfte wurden von ihren Rückschlägen demoralisiert und litten unter dem Mangel an Ausrüstung und Munition. Die russische Luftwaffengruppe hatte zu diesem Zeitpunkt etwas mehr wie 30 Flugzeuge, der Stützpunkt hatte keine Langstrecken Luftabwehr und nur ein kleines Bodenkontingent, um ihn am Boden zu schützen. Der Großteil der Ausrüstung für den Stützpunkt und für die Aufrüstung der syrischen Armee begann gerade erst mit dem Syrienexpress zum Stützpunkt zu gelangen. Die Schiffe waren unentwegt unterwegs den Bosporus in beide Richtungen zu durchqueren. Das russische Militär hatte seine Kampfkraft und seine große Reichweite bis dahin noch nicht bewiesen – es würde diese erst tun nachdem die Luftkampagne ihr volles Tempo erreicht hatte, und mit Marschflugkörperangriffen und schweren Bombereinsätzen zu begleiteten begann. Hätte Erdogan entschieden eine Bodenoperation im September oder Oktober 2015 in Syrien zu starten, wenn die Situation weit verlockendere Möglichkeiten bot, stünden die türkischen Streitkräfte eine viel bessere Chance den Ausgang des Krieges in Syrien zu beeinflussen, als sie es im Augenblick tun.
Einige Monate später hat sich die Situation so weit geändert, dass eine türkische Intervention fast keine Chance mehr für einen militärischen Erfolg hat. Hmeimim beherbergt nun mehr als 50 Flugzeuge, darunter Su-27SM, Su-30SM, und Su-35S-Jagdflugzeuge, die eine effektive Abwehr gegen türkische Angriffe zur Verfügung stellen. Es wird auch von einem mehrschichtigen Luftverteidigungssystem geschützt, dass das S-400 hochfliegende Langstrecken-Raketensystem, Buk-M2 Mittelstreckenwaffen und Pantsir-S mit Kurzstrecken Luftabwehrraketen umfasst. Diese sind nicht nur in der Lage Flugzeuge, sondern auch Marschflugkörper und Lenkbomben abzuschießen. Feindliche Flugzeuge würden auch mit einer Flut von elektronischen Gegenmaßnahmen konfrontiert, die ihre Möglichkeiten Hmeimim anzuvisieren erheblich verschlechtern. Der Start von Marschflugkörpern von russischen Marineschiffen aus und schweren Bombern haben die Fähigkeit bewiesen türkische Luftstützpunkte treffen zu können, und türkische Flugzeugs auf dem Boden im Falle einer Eskalation der Kämpfe zu zerstören.
Russische Basen in Syrien genießen auch den Schutz der ständig anwesenden Marinestreitkräften, die einen Raketenkreuzer bewaffnet mit Langstrecken Schiff- und Flugabwehrwaffen, mehrere U-Boot-Abwehrschiffe und mindestens eine Korvette Rakete enthält.
Auf dem Boden ist die Stärke des Bataillons der russischen Truppen nicht der einzige Grund für den Schutz des Hmeimim Stützpunkt. Russische Militärhilfe, einschließlich der Bereitstellung von schwerem Gerät, Munition und militärischen Planern und Beratern, haben die Syrische Arabische Armee wieder in einen wirksamen Kampfzustand zurückversetzt. Darüber hinaus ist die syrische Armee nicht mehr die einzige militärische Kraft die Syrien verteidigt. Dank russischen diplomatischen Bemühungen haben sich mehrere syrische Oppositionsgruppen in ihrem Kampf gegen die Extremisten mit den Regierungstruppen verbunden. Ebenso sind die kurdischen Einheiten, die in der Vergangenheit ihre eigenen unkoordiniert Kampf gegen ISIS geführt haben, nun vollständig in die russisch-geführte Koalition integriert. Im Gegenzug dafür bekamen sie politische Zugeständnisse der syrischen Regierung. Es gibt auch eine beträchtliche Hisbollah und iranische Präsenz in Syrien. Bedenkt man, dass wahrscheinlich keine dieser Kräfte im Falle einer türkischen Invasion zur Türkei überlaufen würde, und viele die Türkei als ihren Todfeind ansehen, wäre es unwahrscheinlich, dass das türkische Militär weit vordringen könnte bevor es schwere Verluste von der syrischen Verteidigung hinnehmen müsste. Russischen und syrischen Langstreckenwaffen haben nun auch schwere Mehrfachraketenwerfer und Tochka (Scarab) Kurzstreckenraketen, die schmale Bergpfade, unter den wachsamen Augen der russischen Drohnen und Langstrecken-Aufklärungsflugzeuge wie Tu-214 und die IL-20, tödlich für türkische Panzerkolonnen machen würden.
Auch die Aussicht auf die Blockade des Bosporus ist nicht so bedrohlich wie es einmal schien. Syrienexpress ist jetzt vor allem damit beschäftigt die kämpfenden Kräften in Syrien mit Gebrauchsgütern, wie Munition und Ersatzteilen, zu versorgen. Für den Fall das der Bosporus blockiert würde, könnten diese Lieferungen von der Ostsee und in wirklich dringenden Fällen, auf dem Luftweg über die traditionelle Kaspisches Meer-Iran-Irak-Syrien Luftroute versandt werden.
Auf längere Sicht ist es wichtig, dass die russischen und syrischen Streitkräfte einen Korridor durch ISIS Gebiet schlagen, und mit den irakischen Streitkräften verbinden. Es gibt Anzeichen dafür, dass wenn die Extremisten um Aleppo neutralisiert sind, die nächste große Offensive in Richtung Raqqa gestartet wird. Dadurch würde nicht nur das Rückgrat von ISIS gebrochen, sondern auch die Eröffnung einer weiteren Überlandversorgungsroute durch das Kaspische Meer und dem Iran ermöglicht. Die Stärke der von Russland angeführten Koalition, die alle außenstehenden Beobachter überrascht zu haben scheint, ist wahrscheinlich ausreichend, dass sie türkische militärische Luft- und Bodenangriffe gegen Syrien verhindern kann. Während wir noch nicht wissen wie es geschehen ist, so scheint es aber, dass Moskau Ankara ausmanövrieren konnte, indem es höchst effektive militärische Truppen direkt vor seiner Nase in Syrien platzierte. So gelang es den Verlauf des Krieges umzukehren, bevor Ankara in der Lage zu reagieren war.