Russische Aufklärungsaktivitäten in Syrien

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Original veröffentlicht von SouthFront Eng; Übersetzung von Michael X
Innerhalb der Grenzen eines Staates kann Informationsbeschaffung dabei helfen, Leben zu retten; auf internationaler Ebene kann sie dazu benutzt werden, einen Vorwand für Krieg zu liefern, also Leben kosten (Gill & Phythian, 2006). Seit Urzeiten hat Information eine entscheidende Rolle dabei gespielt, den Ausgang eines Konflikts zu entscheiden. Obwohl Krieg auf Waffengewalt und ihrem tatsächlichen Einsatz beruht, was den jeweiligen Konflikt antreibt, hat sie hinsichtlich ihrer Auswirkungen schon mehr als einmal hinter operationeller und taktischer Informationsbeschaffung zurückgestanden. Die Geschichte hat wiederholt gezeigt, dass Streitmächte, die an Zahl, Stärke und Technologie unterlegen sind, trotzdem den Sieg davontragen können, wenn ihren Anführern die besseren Informationen zur Verfügung stehen. Solche Informationen können einen Kräftemultiplikator darstellen. Also begeht man einen Fehler, wenn man den Wert von Waffengewalt, Technologie und Masse in Rechnung stellt, ohne einen entsprechenden Wert für Information anzusetzen.

Zu Kriegszeiten kann Information bzw. Aufklärung in drei Hauptkategorien eingeteilt werden:

* Schlachtfeldaufklärung, die sich auf ein bestimmtes lokales Kampfgebiet bezieht. Beispiele hierfür sind numerische Angaben über Einheiten, welche eine Brücke bewachen, gepanzerte Fahrzeuge, befestigte Stützpunkte usw.
* Taktische Aufklärung umfasst grössere Schlachten oder Kampagnen, potentiell grössere militärische Verbände, Vorräte, Ausrüstung, deren Positionierung usw.
* Strategische Aufklärung bezieht sich auf einen Krieg in seiner Gesamtheit oder ein ganzes Land, seine Intentionen und Fähigkeiten. Diese Ebene bezieht nicht nur militärische Aspekte mit ein, sondern auch internationale Politik, Allianzen und zwischenstaatliche Beziehungen. Solche Information werden nicht nur zu Kriegszeiten sondern regulär als konstante Routine gesammelt.

Informationen können auch nach ihrer Quelle klassifiziert werden:

* Über menschliche Kanäle betriebene Aufklärung ist eine der klassischsten Methoden der Informationsbeschaffung und unter den Berufen wahrscheinlich einer der ältesten. Sie wird von Informanten oder Agenten geleistet, oftmals durch das Stehlen oder Kopieren geheimer Dokumente, oder durch die Weitergabe von Informationen durch Dritte.
* Photographische und satellitengestützte Aufklärung verwendet Hochtechnologie. Diese Art der Informationsbeschaffung begann während des Ersten Weltkriegs, kam während des Kalten Krieges zu einer Hochblüte und stellt auch heutzutage eine der wichtigsten Aufklärungsmethoden dar.
* Elektronische und Signalaufklärung sammelt Daten durch das Abfangen von über Funk oder beliebigen anderen Kanälen gesendeten Signalen. Diese Methode wird durch die heutige Technologie ermöglicht, die üblicherweise Informationen „leckt”, welche durch den Einsatz spezialisierter Gerätschaften aufgespürt, gesammelt und analysiert werden kann. Die Menge der auf diese Weise beschaffbaren Informationen kann überwältigend sein, da elektronische Kommunikation, insbesondere über drahtlose Verbindungen, zwischen Laptops, PCs, Tablets, Mobiltelefonen usw. heutzutage allgegenwärtig ist. Grössere Länder betreiben Organisationen, deren ausschliesslicher Daseinszweck in elektronischer Signalaufklärung besteht.

Was den Kampf gegen Unterwanderung und Terrorismus anbelangt, bringt durch Russland betriebene Informationsbeschaffung und -analyse den Konflikt in Syrien auf ein neues Niveau. Russland bedient sich aller drei Ebenen der Aufklärung, was präzise Luftangriffe auf designierte Ziele ermöglicht, wobei unnötige Kollateralschäden vermieden werden. Zunächst unterhält Russland exzellente Kommunikations- und Koordinationskanäle zu syrischen Kräften, was die SAA und verschiedene loyalistische Gruppen umfasst, sowie auch Hezbollah und kurdische Kräfte von der YPG. Diese Kräfte können aus erster Hand Informationen über terroristische Kräfte und Rebellen, ihre Stützpunkte, Waffenlager usw. liefern. Erkenntnise dieser Art helfen natürlich nicht nur bei russischen Luftangriffen, sondern sie tragen auch zum Vormarsch der syrischen Artillerie- und Bodenstreitkräfte bei. Diese personalgestützte Aufklärung wird durch russische Militärberater weiter gestärkt werden, wie auch durch moderne, an die syrische Armee gelieferte Ausrüstung.

Daneben, und wahrscheinlich am häufigsten genutzt, steht die Satelliten- und Drohnentechnologie, welche detaillierte Bilder des Schlachtfelds und der Situation am Boden liefert. Seit dem letzten September setzt Russland aktiv Satelliten ein, um kritische Informationen für Luftangriffe zu sammeln, aber auch um Routen aufzudecken, entlang derer Öl aus Syrien und dem Irak in die Türkei geschmuggelt wird. Z.Zt. sind werden Satelliten für Photo- und andere Aufklärungsaktivitäten im mittleren Osten eingesetzt, was sowohl militärische als auch zivile Satelliten umfasst. Obwohl es nicht offengelegt wird, um welche Satelliten es sich genau handelt, lassen einige Berichte Folgendes vermuten: Das russische Militär betreibt zwei Satelliten vom Typ Persona, die für optische Aufklärung vorgesehen sind und 2013 bzw. 2015 in Dienst gestellt wurden. Diese Satelliten sind in der Lage, panchromatische und Farbaufnahmen von Bodenzielen machen, und dabei eine Auflösung von unter einem Meter zu erreichen. Es ist bekannt, dass die Persona-Satelliten alle zwei Tage eine Morgenpass über Syrien vollführen, wobei sie hauptsächlich auf Al-Raqqah, Sarmin und Latakia fokussiert werden. Zusätzlich nutzt Russland einen Satelliten vom Typ Kondor, welcher 2013 in sein Orbit gebracht wurde und derzeit ein oder zwei tägliche Pässe über Syrien vollführt. Schliesslich gehört auch noch Lotos-1 zu der Gruppe, ein Funkaufklärungssatellit mit bis zu vier täglichen Pässen über der Region. Was den Gebrauch von Dronen anbelangt hat Russland in Syrien grösste Anstrengungen unternommen. Die eingesetzten Dronen sind mit hochentwickelter militärischer Technologie ausgestattet, u.a. also mit Sensoren, Kameras, Navigation. Sie werden nicht nur zu reinen Aufklärungszwecken eingesetzt sondern auch zur Zielführung präziser Luftschläge. Obwohl es keine klaren Aussagen dazu gibt, welche Dronen benutzt werden, lassen die meisten Berichte vermuten, dass es sich um Dronen wie die Orlan-10 (engl.: Sea Eagle), Dozor-600 (engl.: Watch), Skat (engl.: Skate) und Proryv (engl.: Breakthrough) handelt. Die Dronen sind z.T. nicht schwerer als fünfzehn Kilo, andere erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 800 km/h. Luftfahrtgiganten wie MiG, Sukhoi, Tupolev und Yakovlev sind hochinteressiert daran, diese Technologien weiter zu entwickeln, und im Syrienkonflikt zu testen.

Schlussendlich hat Russland Fahrzeuge und Radarsysteme nicht nur zur Informationsbeschaffung eingesetzt, sondern auch um Funkverkehr zu stören und die Kommunikation zwischen den aufständischen Gruppen und externen Akteuren zu unterbinden. Der Einsatz von Technologie zur elektronischen Kriegsführung hat seinen Nutzen speziell nach dem Vorfall mit der Türkei gezeigt. Eines der eingesetzten Systeme zur elektronischen Kriegführung trägt die Bezeichnung Krasuka. Es handelt sich hierbei ein mobiles, bodengestütztes Verteidigungssystem, welches die Kommunikation von Luftzielen in einer Entfernung bis über 250 Kilometern stören kann. Da es mobil ist, kann es einen grösseren Operationsbereich abdecken. Es ist auch gegen feindliche Aufklärungssysteme (z.B. AWACS) effektiv und kann die Funkkommunikation von terroristischen Kräften stören.

Der Syrienkonflikt stellt einen signifikanten Stresstest für russische Technologie dar, wobei alle Arten von hochtechnologischen Methoden zum Sammeln von Daten und Information eingesetzt werden, um die Extremisten zu bekämpfen. Das russische Engagement in Syrien zeigt auch, dass man kein globaler „Polizist” sein muss, um ausserhalb der eigenen Grenzen Terrorismus zu bekämpfen. Gute Aufklärung und Kooperation mit einheimischen Kräften erzielt eindeutig viel bessere Resultate verglichen mit von westlichen Mächten ausgeführten Operationen im Irak und in Afghanistan.

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