Politische Krise in Venezuela

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Venezuela, das eines der reichsten Länder auf der Erde sein könnte, macht gerade eine sehr schwere wirtschaftliche und politische Krise durch.

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Venezolanischer Präsident Nicolas Maduro (Foto: EPA / Miguel Gutierrez)

In den vergangenen 19 Jahren haben die sogenannten Chavistas, die Anhänger von Hugo Chavez, dem ehemaligen venezolanischen Präsident und Führer der Sozialistischen Partei der Fünften Republik, die später der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas beigetreten sind, die Macht im Land gehabt. Jetzt hat die rechtsextreme Opposition zum ersten Mal in 17 Jahren eine Chance bekommen, an die Macht zu kommen. Aber die Skala von Venezuelas Problemen ist riesig. Die große Frage ist, ob die Oppositionellen sie lösen können.

Die Ergebnisse der letzten Präsidentschaftswahl von 2013, als der derzeitige venezolanische Präsident Nicolas Maduro gewann, wurden von einem Protest begleitet. Henrique Capriles Radonski, ein Vertreter der Partei “Gerechtigkeit zuerst”, die knapp gegen Maduro verloren hatte, weigerte sich, den Sieg ihres Gegners zu akzeptieren und forderte, die Stimmen neu auszählen zu lassen. Allerdings bestätigte der Nationale Wahlrat den Sieg der “Chavista” trotz Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten, bei denen 7 Menschen getötet wurden und über 60 weitere verletzt wurden.

Seit Februar 2014 und bis heute gibt es immer wieder Demonstrationen und Proteste, deren Hauptgründe Korruption, der Zustand der Wirtschaft und der Mangel an Waren sind. Seit 2016 haben die Demonstranten auch das Ziel, Maduro von seinem Präsidentenposten zu verdrängen.

Um dem Zustand des Rückschlages der anhaltenden Instabilität entgegenzuwirken haben die Oppositionsführer im Mai 2016 Vorbereitungen für ein Referendum eingeleitet, um Manduros Befugnisse vorzeitig zu beenden.

Im August 2016 stellte der Wahlrat fest, dass die Initiative für die zweite Phase des Referendums die dafür nötige Anzahl von Stimmen (1 Prozent der Wähler) gesammelt hat. Im Oktober gab der CNE (der Nationale Wahlrat) bekannt, dass die zweite Stufe der Vorbereitungen für den Volksentscheid auf unbestimmte Zeit aufgeschoben wurde, obwohl der Zeitpunkt zur Unterschriftensammlung vom 26. bis zum 28. Oktober festgelegt wurde.

Die Reaktion des Parlaments erfolgte sofort. Am 25. Oktober 2016 stimmte die Nationalversammlung darüber ab einen Prozess zu starten und Anklage gegen Präsident Maduro zu erheben. Diese Ereignisse verschärften die politische Krise, und somit begann die Kommunikation zwischen den Vertretern der Exekutive und des “Runden Tisches der Demokratischen Einheit” Wahlkoalition der venezolanischen Parteien erst am Ende des Monats statt, und dies dank der Beteiligung internationaler Mediatoren.

Am 9. Januar 2017 erklärte der Oberste Gerichtshof von Venezuela dem Parlament, dass der Beschluss darüber das der Präsident des Landes zurücktreten müsse, absolut keine Rechtskraft trage. Nach der Verfassung des Staates hat die Nationalversammlung nicht die Befugnis, den Präsidenten seiner Macht zu entheben. Am Ende des gleichen Monats beschuldigten die Mitglieder der Koalition “Der Runde Tisch der demokratischen Einheit” die Regierung, die Vereinbarungen nicht einzuhalten, die zuvor getroffen wurden, und sagten, dass sie deshalb den Dialog mit den Behörden eingestellt haben.

Somit gibt es aufgrund der Resolution der Nationalversammlung keine wirkliche und unmittelbare Bedrohung durch die Enthebung des Präsidenten aus seinem Amt mehr. Doch im Jahr 2018 wird das Land wieder reguläre Präsidentschaftswahlen abhalten. Und Maduros Chancen für die Wiederwahl sind sehr gering.

Am 30. März 2017 gab der Oberste Gerichtshof Venezuelas bekannt, dass er die Vollmacht der gesetzgebenden Gewalt anstelle der Nationalversammlung  die von der Opposition kontrolliert wird, übernommen hat. “Solange die Situation der Respektlosigkeit (gegenüber der Justiz) und die Verabschiedung ungültiger Entscheidungen durch die Nationalversammlung fortgesetzt wird, garantiert diese Justizbehörde, dass die Erfüllung der parlamentarischen Pflichten direkt von ihr oder von einer Stelle durchgeführt wird, die sie zur Erhaltung des Staates schaffen wird, und von der Rechtsstaatlichkeit regiert wird”, so steht es in der Entscheidung geschrieben.

Dem Urteil nach liegt die Respektlosigkeit für die Justiz darin, dass das venezolanische Parlament die Forderung des Obersten Gerichtshofs, die Wahl der Abgeordneten aus dem Amazonas-Staat im Dezember 2015 ungültig zu machen, nicht einhalten konnte. Zu dieser Zeit hat die Justizbehörde Aufgrund von Verstößen, die sich Abstimmungsverfahren offenbart hatten eine entsprechende Entscheidung getroffen.

Die Opposition gewann die Parlamentswahlen im Jahr 2015 aus drei Gründen. Zunächst wuchs die Unzufriedenheit im Land aufgrund des Mangels an verschiedenen Zivilgütern, dem Korruptionsniveau und dem wachsenden Kriminalitätsrate. Zweitens wurde die bereits schwierige wirtschaftliche Situation stark vom globalen Rückgang der Energiepreise getroffen, darunter Öl, das etwa 95 Prozent aller Exporte von Venezuela ausmacht. Zuallerletzt war die Beliebtheit des derzeitigen venezolanischen Präsidenten als unabhängiger Politiker deutlich geringer als die seines Vorgängers Chavez. Der letztere gewann bei den Präsidentschaftswahlen durchweg 6–10 Prozent mehr Stimmen als Maduro.

Eine Anekdote macht in Venezuela die Runde: “Wann sollte ich in einen Laden gehen? Wenn davor eine riesige Warteschlange ist.” Zu anderen Zeiten sind die Geschäftsregale schon wieder leer gekauft. Sobald Brot, Reis und Kaffee, was nach dem Erlass von Maduro zu “fairen Preisen” verkauft wird, in die Läden geliefert werden, entstehen riesige Warteschlangen vor ihnen.
Alles was der sozialistische Staat seinen Bürgern heute bietet, ist ein Defizit an billigem Essen das die Leute benötigen oder horrende Preise für Essen auf dem Schwarzmarkt.

Wenngleich die Venezolaner Kolumbien als Nachbarstaat haben, wo sie in Scharen hinlaufen, um Reis und Medikamente zu kaufen. Manchmal wird die Staatsgrenze tatsächlich von einem Menschenansturm überrannt.

In seinen feurigen Reden überzeugt Maduro seine Mitbürger von einer künstlichen Natur der Nahrungsmittel- und Medizinkrise. Und er hat zumindest dabei Recht, dass die Gesellschaftsschicht der Eigentumsbesitzer das sozialistische Regime nicht brauchen.

Zum Beispiel kündigte im Mai 2016 das Brauerei-Unternehmen Polar, das fast 80 Prozent des lokalen Biers produziert dem ganzen Land an, dass sie aufgehört haben Bier zu brauen. Die Besitzer von Polar sagten, dass das Unternehmen Gerste und Malz im Ausland kaufen musste, und dies war nur mit Dollars möglich. Im Jahr 2016 betrug der offizielle Wechselkurs des so genannten “starken Bolivars” 10 Bolivars pro Dollar. Allerdings war es unmöglich, Dollars für diesen Preis zu bekommen. Die wirkliche Rate war 400 Bolivars pro Dollar, dieser Preis war auf dem Schwarzmarkt üblich. Aber wenn Unternehmen versuchen, Dollar zu kaufen, beschuldigt Maduro sie, Dollar für zukünftige Verwendung zu bunkern und den Kurs des Bolivars zu untermauern. Im Gegenzug verlangt die Gesellschaftsschicht der Eigentumsbesitzer, das sich die Währung des Landes in seinem Wert hält. Beim Versuch, den Präsidenten zu erpressen, könnten sie ein künstliches Defizit von einigen Waren und Produkten geschaffen haben.

Im Juli 2016 beendete McDonalds den Verkauf des Big Mac in Venezuela aufgrund des Mangels der grundlegenden Zutaten – Brot Produkte. Der Verkauf von Pommes Frites wurde noch früher abgebrochen, diese mussten durch Yucca-Wurzeln die in gebratener oder gesalzener Form serviert werden ersetzt werden.

Zur gleichen Zeit, kündigte das US-Unternehmen Kimberley-Clark, das führend in der Herstellung von Windeln, seine Schließung an. Maduro stellte sofort fest, dass die Firma aus Texas in den US-Wirtschaftskrieg gegen Venezuela verwickelt war und versprach, Reliefs an 971 venezolanische Arbeiter zu zahlen, die die Werkshallen von Kimberley-Clark beschlagnahmten. Allerdings hat er keinen wirklichen Einfluss auf die gesamte Situation. Der Präsident hat auch keinen Einfluss auf die amerikanische Bank Citibank, die verkündete, alle Konten der venezolanischen Zentralbank zu blockieren. Gleichzeitig hat der Internationale Währungsfonds (IWF) in Venezuela eine Inflation von 1640 % im Jahr 2017 prognostiziert.

Marktführer auf der ganzen Welt beraten die venezolanischen Behörden, den “starken Bolivar” und die staatliche Regulierung der Wirtschaft aufzugeben. Aber wenn Maduro ihr Angebot annehmen würde, würde die Bevölkerung des Landes buchstäblich bis zum Tode verhungern, ebenso wie der Kampf gegen die Armut, die wichtigste wirkliche Errungenschaft der Sozialisten, verloren gehen würde.

Ein trauriges Paradoxon ist, dass Venezuela eines der reichsten Länder auf dem Planeten sein könnte. Die erforschten Ölreserven sind die größten in der Welt und betragen nach unterschiedlichen Daten 70 bis 170 Milliarden Tonnen oder 17,5% der weltweiten Reserven. Die Ölverkäufe beliefen sich auf 95% des venezolanischen BIP und jahrzehntelange hohe Preise für sie schufen eine materielle Basis für den venezolanischen Sozialismus.

Der Rückgang der weltweite Ölpreise hat die Situation in Venezuela noch zusätzlich verschlimmert. Sowie früher die arme Mehrheit der Bevölkerung die sozialistische Regierung unterstützt hat, da sie ihnen einen anständigen Lebensstandard verlieh, kritisieren sie nun Maduro genauso wie das Bürgertum anfangs. Chavezs politische Erben verlieren schnell ihre soziale Basis – reiche und arme Menschen haben sich bei der Kritik an dem Präsidenten zusammen getan. Venezolaner veröffentlichen in sozialen Netzwerken Fotos von ihren leeren Kühlschränken mit Beschriftungen, wie “Das ist, was der Sozialismus uns brachte”, und Rechtfertigungen der Führung des Landes im Stil von “Dies sind alles Intrigen des CIA” langweilen alle schon längst.

Aufgrund der Situation der Inflation, der leeren Geschäftsregale und der regelmäßigen Stromausfälle war es für die rechtsextreme Opposition nicht schwierig Unterschriften von 400.000 Wählern zu sammeln, um das Referendum über den Rücktritt von Madura einzuleiten. Henrique Capriles, ein Vertreter der Partei “Gerechtigkeit zuerst” die bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2013 nur knapp gegen Madura verloren hatte, hoffte so die vorzeitigen Wahlen schon gewinnen zu können. Die aufgrund des Referendums eigentlich stattfinden hätten sollen.

Capriles bestand auf eine schnellen Festsetzung für das Datum des Referendums und wurde dabei von den USA offen unterstützt – dann warnte Außenminister John Kerry, dass er Caracas nicht erlauben würde, “Spiele mit der Terminverschiebung des Referendums zu spielen”. Gleichzeitig haben alle angelsächsischen Medien aktiv Artikel über die schreckliche Situation in Venezuela veröffentlicht und Menschenrechtsverteidiger beschuldigten Maduro, eine humanitäre Katastrophe zu provozieren. Führer der “Organisation der amerikanischen Staaten” (OAS) haben sogar vorgeschlagen, die Venezuela die Mitgliedschaft in der Organisation aufgrund regelmäßiger Verletzungen der Menschenrechte im Land zu kündigen. Auf diese Weise steht Venezuela neben dem wirtschaftlichen Druck auch unter starken Informationsdruck.

In dieser Situation versuchen große Partner Venezuelas, China und Russland, dem Staat irgendwie zu helfen. Also hat Peking die Schulden von Caracas auf 65 Milliarden Dollar umstrukturiert, während das geschäftsführende Vorstandsmitglied von Rosneft Igor Sechin das Land besuchte, um die Zusammenarbeit zwischen Rosneft und dem venezolanischen Unternehmen PDVSA zu erweitern. Allerdings hat dies noch keinen Einfluss auf den Inhalt von Kühlschränken der gewöhnlichen Venezolaner und somit wächst die Unzufriedenheit gegenüber dem Präsidenten  weiter.

Capriles, der Hauptkonkurrent des derzeitigen Präsidenten, ist ein Vertreter des venezolanischen Bürgertums und der Erbe einer reichen Familie. Sein Programm beinhaltet die Verbesserung der Beziehungen zu den USA und die “Demokratisierung des öffentlichen Eigentums”. Auf diese Weise wird angenommen, dass unter seiner Herrschaft amerikanische Konzerne nach Venezuela kommen werden, das staatliche Eigentum privatisiert wird und das Land zum wilden Kapitalismus zurückkehren wird, was der Tradition dieser Orte entspricht. Es ist schwer zu sagen, wie viel dies den gewöhnlichen Venezolanern helfen kann. Denn die Liberalen in Venezuela haben noch keine praktische Erfahrung darin das Land zu regieren.

Die Opposition bevorzugt es die Regierung der Sozialisten für die Tatsache kritisieren, dass sie seit 17 Jahren Einnahmen durch Öl verschwendet, anstatt die Wirtschaft des Landes zu diversifizieren. Aber die Opposition hat auch in all diesen Jahren in großem Stil gelebt und nur auf die Sozialisten herab geschimpft und Karikaturen von Chavez gezeichnet.  Es ist nicht ganz klar, wie sie die Probleme der ökonomischen Basis lösen werden, deren Hauptbestandteil rein aus Einnahmen durch Öl 95 Prozent in der BIP-Struktur des Landes ausmacht.

 

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Felicia Miller

Anglosaxons want venezolan Oil and that’s the spring of all problems of this country.

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