Meinung – Es ist an der Zeit, mit den Vorhersagen über den Zusammenbruch Nordkoreas aufzuhören

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Kim-Il-sung-Platz

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Dieser Artikel erschien zuerst auf NK NEWS – Übersetzung von Antiimperialistische Plattform Deutschland

Von Tim Beal

Jedermann ist an der Vorhersage interessiert, dass Nordkorea vor dem Zusammenbruch steht. Diese Vorstellung grassiert schon lange, gewiss seit den frühen 1990er Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, wenn nicht schon länger. Peter Hayes and David F. von Hippel schrieben:

„Verfechter der Zusammenbruchtheorie argumentieren seit dem Ende des 2. Weltkriegs, dass die DVR Korea vor dem Zusammenbruch steht.“ Tatsächlich veröffentlichte der anerkannte Experte und Kollege Adrian Foster-Carter am 15. November 2009, dass die DVR Korea „jeden Moment zusammenbrechen könnte,” eine Behauptung, die nicht weniger überzeugend war als die von Foster-Carter im Jahre 1992.

Adrian Foster-Carter fand heraus, dass mit dem Alter Weisheit einhergeht und schrieb im Jahre 2015 mutig und entlarvend:

„Genug des Unsinns. Wenn sich die Fakten ändern sollten, dann ändere ich auch meine Meinung. Wie sieht es bei Ihnen aus, mein Herr?“ Ein ernsthafter Ratschlag, ob Foster-Carter das tatsächlich gesagt hat oder nicht. Ich widerstand bis 2009, musste dann aber Bruce Cumings‘ mächtigen Spott gegen uns alle zugeben, die wir wie folgt dachten: „Wann wird der Status der Beschränktheit endlich aufhören, systematisch falsch zu liegen?“

Der Titel von Foster-Carters Abhandlung (auf 38North) lautete „Obama entlarvt sich als DVR Korea Zusammenbrecher“, und er lamentierte, dass die Illusion eines Zusammenbruchs die US-Politik beherrschte, und hier im Besonderen die „Politik der strategischen Geduld“. Man dachte, dass es keinen Grund gäbe, mit Nordkorea zu verhandeln, wenn dieses doch sowieso dabei war, zusammenzubrechen.

Es gibt nach wie vor keine Änderung in der Annahme des unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs.

Journalisten, die sich mit Korea nicht gut auskennen, fallen dieser Annahme gerne zum Opfer, da dies eine gute Geschichte abgibt, und weil die Zukunft nicht in der Gegenwart widerlegt werden kann. Und wenn die Zukunft die Medien mit ihrem notorisch kurzen Gedächtnis erreicht, sind die Medien längst weitergezogen.

Einige jüngste Beispiele: Julian Ryall fragte im April beim renommierten deutschen öffentlich-rechtlichen Sender Deutsche Welle (heute kurz: DW): “Steht Nordkorea kurz vor dem Kollaps?“. In den USA schrieb Jamie Metzl einen Artikel im The National Interest in June mit der hervorragend apokalyptischen Überschrift: “Weltuntergang: Der bevorstehende Zusammenbruch Nordkoreas.”

MILITÄRAUFKLÄRUNG?

Natürlich stehen Menschen im militärisch-industriellen Sicherheitskomplex nicht außen vor. Da gibt es z. B. General Walter Sharp, früherer Kommandant der US-Streitkräfte in Südkorea, der im Mai dieses Jahres gesagt hatte, „dass es Instabilität in Nordkorea geben wird, die früher als manche denken zum Zusammenbruch Nordkoreas führen wird.“

Allerdings muss man zugeben, dass Generale eine Gabe zu Lügen und Betrügen als Teil ihrer Arbeit haben, die sogar bis zu Homer auf der einen und Sun Zi-an auf der anderen Seite zurückgeht. Ihnen gesteht man zu, Dinge zu sagen, nicht, weil sie an sie glauben, sondern weil sie einen bestimmten Effekt erzielen wollen.

Bei Menschen im Bereich Sicherheit verhält es sich anders. Sie nutzen oft Worte wie “Möglichkeit” oder “Eventualität“ in ihren Vorhersagen, sollten diese sich nicht vor ihrer Pensionierung bestätigen. So haben wir z. B. Bruce Bennets RAND-Bericht Vorbereitung für die Möglichkeit eines Zusammenbruchs Nordkoreas.

Nur wenige seriöse und informierte Kommentatoren außerhalb des Bereichs Sicherheit sind dieser Tage Anhänger der Zusammenbruch-Theorie, nicht (mehr länger) Foster-Carter und auch nicht Georgy Toloraya. Im Mai 2016 schrieb Toloraya:

„Einige Kommentatoren in Seoul schlussfolgern, dass Vereinigung nicht nur wünschenswert wäre, sondern auch schnellst möglich erzielt werden könnte, weil das nordkoreanische Regime am Zusammenbrechen ist. Allerdings sehe ich keine Anzeichen einer aufbrauenden Instabilität, während ich dies in Pyongyang schreibe.“

Nach einem weiteren Besuch Pyongyangs im November, wo er das Wirtschaftswachstum und eine Atmosphäre des Optimismus beobachten konnte (was ihn nur ungern zum Schluss kommen ließ, dass wohl die Byungjin-Politik ein Erfolg sei, eine Auffassung, die durch eine jüngste NK Pro Meinungsumfrage bestätigt wird), kam er zu dem Schluss, dass das „Warten auf den Zusammenbruch des Regimes kaum mehr eine Option für die ausländischen Politiker sei“.

Andrei Lankov ist eine gewisse Ausnahme in diesem Zusammenhang, denn er sagte im Juli voraus, dass „ein umwälzender Zusammenbruch des Kim’schen Familienregimes immer noch höchst wahrscheinlich sei“.

JH Ahn von NK News hat vielleicht die Meinung der Beteiligten einer Konferenz in Seoul am besten eingefangen, dass „die Vorhersagen der Forscher über den Zusammenbruch Nordkoreas wohl ‚Wunschdenken‘ seien.“

DIE MEINUNG WASHINGTONS

Woher bekam Obama seinen Zusammenbruchismus? Wenn nicht aus erster Hand dann vielleicht zweiter: den “Präsidenten” Südkoreas. Das war zunächst Lee Myung-bak und dann natürlich Park Geun-hye.

Foster-Carter machte auch bissige Bemerkungen über Park Geun-hyes „Hauptgewinn“-Rede, in der sie von der Annahme ausging, dass Nordkorea zusammenbrechen und Südkorea es mit einem großen Bissen ohne Verdauungsprobleme verschlucken würde. Dies war in einem Artikel des Wall Street Journals Anfang 2014 mit dem Titel „Hauptgewinn oder Niete? Park zur Wiedervereinigung“ zu lesen.

Niete? Wie recht sie hatte!

Es stellt sich heraus, dass Park Geun-hye wohl durch niemand anderen als Choi Sun-sil vom bevorstehenden Zusammenbruch Nordkoreas ausging. Der Washingtoner  Korrespondent der Zeitung Hankyoreh Yi Yong-in schrieb über seine Schwierigkeiten, den US-Experten die Hintergründe für die vielen seltsamen Drehungen und Wendungen in Park Geun-hyes Nordkorea-Politik zu erklären, und über seine Entrüstung, als er herausfand, dass höchstwahrscheinlich Choi Sun-sil dahintersteckt.

Er schrieb „Sogar, nachdem ich in die USA versetzt wurde, fragten mich US-amerikanische Experten zur Koreanischen Halbinsel bei mehreren Gelegenheiten, wer wohl um alle Welt Park Rat geben würde. Diese Experten verstanden nicht, weshalb Park so vehement vom Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes überzeugt war.“

ZERBRECHLICHE MYSTIK

Wie kam Choi Sun-sil zu ihrem Urteil über Nordkorea und zu ihrem Rat der „Präsidentin“ Südkoreas gegenüber? War sie eine eifrige Leserin von NK News, 38 North oder Yonhap und KZNA? Vielleicht.

Es ist aber wahrscheinlicher, dass sie auf die Familientraditionen des Schamanismus zurückgriff, in dem sie in die Fußstapfen des Vaters trat. Ihr Vater Choi Tae-min gewann Park Geun Hyes Vertrauen, als dieser den Tod ihres Vaters Park Chung-hee voraussagte, obwohl er keine Details nannte und seine Warnung eher verschwommen war, was zu allerlei Interpretationen und Deutungen nach dem Vorfall führte.

Aber so läuft das Geschäft, wenn man erfolgreich sein will. Choi Tae-min, der in einem Telegramm der US-Botschaft als „Rasputin“ bezeichnet wurde, häufte durch seine Einflussnahme auf Park Geun-hye einigen Reichtum an, und seine Tochter folgt ihm wohl auf dem Fuße.

Beiden wird zum Leidwesen der wahren Schamanen die Nähe zum Schamanismus vorgeworfen – “Nennen sie Choi nicht Schamanin, das ist eine Beleidigung für alle Schamanen“ – berichtete die Korea Times. Dieselbe Zeitung stellte auch folgende Frage: „Choi Soon-sil – Schamanin oder Hochstaplerin?

Ob Schamanen tatsächlich besondere Fähigkeiten für Voraussagungen haben, ist vielleicht jedem selber zur Beurteilung überlassen. Der mexikanische Schamane, der im Januar Trump den Verlust der Wahl voraussagte, hat seine Sache wohl nicht so gut gemacht, doch vielleicht sind koreanische Schamanen besser?

Wie auch immer, es ist schon sehr sonderbar, dass die Nordkorea-Politik der USA, die doch so sehr den Einfluss der Wissenschaft vergrößert haben, die einen Mann auf den Mond brachten, die 16 Geheimdienste unterhalten und deren NSA die gesamte Kommunikation des Planeten überwacht, letztendlich auf den schamanischen Wahrsagungen von Park Geun-hyes Vertrauter basierte.

 

Tim Beal hat einen Magister der Philosophie der Universität Edinburgh in Modernen Studien zu China, gefolgt von einem Doktor der Philosophie in chinesischem Außenhandel. Er zog 1987 nach Neuseeland und lehrte an der Victoria University of Wellington bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2009. Er hat ausgiebig über internationale und asiatische Politik geschrieben. Zwei seiner Bücher beschäftigen sich mit Korea: „North Korea: The Struggle against American Power” (London: Pluto, 2005) and „Crisis in Korea: America, China, and the Risk of War” (London: Pluto, 2011).

Er hat beide Koreas seit den 1990er Jahren besucht und unterhält eine geopolitische Netzseite mit Schwerpunkt Korea: http://www.timbeal.net.nz/geopolitics

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