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Dominic H – 18-03-15
Öffentliche Medien gelten als sogenannte Vierte Gewalt. In einem System der Gewaltenteilung stützt also diese vierte Säule das edle Gebäude der Demokratie. Neben Exekutive, Legislative und Judikative gibt es Medien, die zwar selbst nicht Gesetze ändern oder straffällige gewordene Machthaber ihrer gerechten Strafe zuführen können, aber mit kritischem Journalismus die öffentliche Diskussion in Schwung bringen und damit das politische Geschehen beeinflussen können. Was aber, wenn dieser Wachhund des Wahlvolkes zum Schosshündchen der Macht wird und damit die Bürger zum Dasein medial manipulierter Wahlschafe verdammt? Die Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut von traditionellen Medien und seriösen Online-Portalen. Lügen Journalisten? Sind Medien korrupt? Laut Transparency International glaubt die Bevölkerung genau das. Die Kluft zwischen “öffentlicher Meinung” und “veröffentlichter Meinung” wächst.
Wer sich zu aktuellen Ereignissen in Syrien oder der Ukraine unabhängig und vergleichend informiert, findet im “freien” Westen eine von den meisten Bürgern kaum wahrgenommene, gewaltige Propaganda-Maschinerie. Am Anfang stehen Presseagenturen, welche eine Version durch die Medien jagen, wo träge Journalisten diese Texte teilweise Wort für Wort übernehmen und in ihren jeweiligen Publikationen als “Reportagen” präsentieren. Meinungsjournalisten und Leitartikler tun das Ihre dazu, um eine “offizielle” Version zu unterstützen. Dazu nehmen mächtige Akteure aus Politik oder Wirtschaft mittels professioneller Öffentlichkeitsarbeit (neudeutsch: PR von engl. public relations) weiteren Einfluss auf die Berichterstattung. Um ihre Arbeit zu behalten, wegen Auflagenzahlen, Einschaltquoten und der Abhängigkeit von Werbung, sind Journalisten tendenziell am sogenannten Mainstream beziehungsweise Massengeschmack orientiert. Bürgerjournalismus ist investigativer, erreicht aber im vergleich zu den Massenmedien nur einen kleinen Bruchteil des Wahlvolkes.
Man kann drei Mittel identifizieren, mit denen die Elite sich die Journalisten gefügig macht. Erstens über die Ungleichbehandlung: Nur Journalisten, die berichten wie gewünscht, erhalten begehrte Informationen und Zugang zu den Mächtigen – erhalten damit einen Informationsvorsprung gegenüber ihren Kollegen und können mit Exklusivinterviews trumpfen. So machen diese Journalisten eine steile Karriere und im Fernsehen werden sie Stars – hoch bezahlte Medienstars. Solch ein Arrangement rechnet sich für alle Beteiligten. Zweitens kann bei einer unliebsamer Berichterstattung Druck auf die Chefetage der Medienanstalt ausgeübt werden. Das hat dann konkrete berufliche Konsequenzen für die Journalisten hinter dieser Reportage. Sie werden vom Thema abgezogen, entlassen oder als Freischaffender nicht mehr verwendet. Journalisten wissen oft sehr schnell, welche Themen tabu sind und es entsteht of ein vorauseilender Gehorsam in der Form von Selbstzensur. Drittens sind Journalisten oft schon Teil der Elite oder wären es gerne. Haben sich Journalisten erst einmal daran gewöhnt, gemeinsam mit der Elite in der ersten Klasse zu reisen, fehlt ihnen schnell die nötige Distanz. Dazu kommt noch, dass Journalisten, Pressesprecher, politische Berater und schliesslich auch Politiker oft den gleichen Studiengang hinter sich haben. Man kennt sich oder zumindest versteht sich. In vielen Demokratien ist ein Karrierewechsel von Journalismus in die Politik und umgekehrt nichts ungewöhnliches. Der Journalist ist somit praktisch eingebettet mit der Elite. Mit embedded Journalist (engl. embed ‘einbetten’, ‘integrieren’) bezeichnete man, seit dem Irakkrieg im Jahre 2003, den von US-Streitkräften der kämpfenden Truppe zugewiesenen, aber aus Sicherheitsgründen kontrollierten Kriegsberichterstatter. Der Begriff eingebetteter Journalismus wird heute zunehmend benutzt, um Journalisten zu charakterisieren, die sich den Erwartungen anpassen, also Sprachrohr der Elite sind. Diese drei Formen der Medienmanipulation sind so effektiv, dass sich im Mainstream zu Syrien oder Ukraine kaum differenzierter Journalismus mehr finden lässt.
Wenn Staats- und Regierungschefs des Westens Angesicht der kriegerischen Ereignisse in Syrien oder der Ost-Ukraine keine Fragen, sondern nur noch Antworten haben, wäre die Vierte Gewalt gefordert. Statt dessen hat der Mainstream-Journalismus das Meinungsspektrum auf die Dimensionen einer Schiessscharte reduziert. Leitartikler, welche angeblich als Intellektuelle, im Wettbewerb der Gedanken und Ideen stehen sollen, gehen primitiv auf Syrien oder Russland los. In den Überschriften bemerkt man die aggressive Verspannung von Fans bei einem Fussballspiel. Wer für die andere “Mannschaft” argumentiert, ist ein “Verschwörungstheoretiker”, “Assadist” oder “Putin-Versteher”.
Seit Ende des Kalten Kriegs heizen die USA Konflikte an. Aus dem Akt einer Terrorgruppe wurde ein endloser, globaler Feldzug. Unter fadenscheinigen Gründen werden Regierungen weggebombt. Ohne gefügige Journalisten wären diese Verbrechen der US-Elite politisch nicht möglich gewesen. Cui bono – wem nutzt das “Massaker-Marketing” mit Schauergeschichten aus Syrien?
Die “Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte” (Syrian Observatory for Human Rights – SOHR), bei der sich die Journalisten des Westens mit Propaganda für ihre Beschuldigungen gegen Syriens Regierung eindecken, besteht aus einem einzigen Kleingewerbetreibenden. Der Mann – Abdel Rahman – kann keine Quellen nennen und nichts beweisen. Trotzdem finanzieren unbekannte “Mitglieder” seine “Arbeit” und die Webseite. Er versichert, dass alle nur “normale Leute” sind. Kritiker stellen seine Vertrauenswürdigkeit in Frage, da der Verdacht besteht, er sei ein Mitglied der Muslimbrüder-Bewegung. Aus dieser privaten Quelle in Grossbritannien stammen also die meisten Schauergeschichten über Fassbomben, Giftgas und tote Kinder. Mit Hilfe von SOHR machen Journalisten Stimmung für Intervention und erklären dem Wahlvolk, dass Bewaffnung eines blutigen Aufstands durch den Westen ein moralisch korrektes Verhalten darstellt. Ohne diese Rückendeckung, müssten die Politiker im Westen längst wieder Syrien in Frieden lassen.
Nur selten gibt es Journalisten, die aus dem Gleichschritt ausbrechen. Am 8. Juni 2012 schrieb Alex Thomson, ein Journalist beim britischen Sender Channel4: “Die Rebellen wollten mich in eine Falle locken und meinen Tod Assad in die Schuhe schieben.” Alex Thomson reiste nach Syrien um vor Ort zu berichten. Er schreibt mehrheitlich eher ausgewogen und war vielleicht auch deshalb ein ideales Opfer für eine “falsche Flagge” (engl. false flag). Alex Thomson berichtet: “Ich bin fest davon überzeugt, dass die ‘Rebellen’ uns absichtlich falsch führten, damit wir von der syrischen Armee erschossen würden. Denn tote Journalisten sind schlecht für Damaskus.” In der FAZ fragt Rainer Hermann am 13. Juni 2012 zum sogenannten Massaker von Hula, warum für die restlichen Medien die Rebellen glaubhafter sind, als Zeugenaussagen neutraler Einwohner. Auch bemerkt er, dass zum Thema Syrien zwei arabische Nachrichtensender, Al-Jazeera und Al-Arabia, zu Leitmedien geworden sind. Die eine Medienanstalt gehört Qatar, die andere Saudi-Arabien, zwei aktiv mit Rebellen-Unterstützung am Konflikt beteiligte Staaten. “Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst” schreibt Hermann, ein Mann, der für sein Studium auch einige Zeit in Damaskus verbrachte und vielleicht aus Nostalgie zu diesem Zeitpunkt nicht medialer Mittäter sein wollte.
Die Rolle von Journalisten im Syrien-Krieg kann man am Beispiel von Al-Jazeera deutlich machen. Dieser internationale Nachrichtensender in Arabisch und Englisch wird mit 350 Millionen US-Dollar im Jahr von der katarischen Herrscherfamilie finanziert. Der Emir wünscht den Sturz der syrischen Regierung und liefert dafür, wie im schon im Fall von Libyen, Waffen, Berater und Geld an sogenannte Rebellen. Der Sender wird benutzt, um Stimmung für Krieg gegen Syrien zu machen. Anfang März 2012 trat der Bürochef von Al-Jazeera in Beirut, Ghassan Bin Jeddo, aus Protest zurück. Er sagte, “Al-Jazerra ist zu einem Schmierenjournalismus verkommen. Es ist die Zentrale für Aufwiegelung und Mobilisierung.” Ein Produzent kündigte in Beirut, weil Al-Jazeera das Resultat des Referendum über die Verfassung völlig ignorierte, die mit einer Wahlbeteilung von 57% und einer Zustimmung von 89% den Wunsch für einen friedliche Veränderung in Syrien zum Ausdruck brachte. Der Geschäftsführer von Al-Jazeera in Beirut hatte dann ebenfalls seinen Job aus Protest hingeschmissen.
Al-Jazeera versorgt die Rebellen in Syrien illegal mit Kommunikationsmitteln. Das teilte der Journalist, Ali Hashem, der für den Fernsehsender im Libanon arbeitete, am 02. April 2013 in einem Interview für die libanesische Zeitung Al-Safir mit. Dem Journalisten zufolge ist Al-Jazeera dazu bereit, für jede illegale Lieferung von Satelliten-Handys 50’000 US-Dollar zu bezahlen. Rebellen sollen darüber berichten, “was angeblich in Syrien geschieht. Eine unparteiische Berichterstattung über die Krise in Syrien sei nach Hashem nicht erwünscht. Er sei von leitenden Mitarbeitern von Katras Nachrichtendienst darin instruiert worden, auf welche Weise er berichten und was er “vergessen” muss. Laut Hashem wussten Al-Dschasira-Journalisten, dass bewaffnete Formationen den syrischen Behörden von Anfang gegenüber gestanden hatten und Extremisten massenhaft vom Libanon aus nach Syrien gezogen waren. Er war auch aufgebracht, weil die Zentrale in Doha sich weigerte Fotos zu zeigen, die er während der Auseinandersetzung zwischen bewaffneten Kämpfern und der syrischen Armee in Wadi Khaled gemacht hatte. “Es handelt sich um einen Informations-‘Selbstmord’, zu dem die katarischen Behörden, die ganz konkrete politische Ziele und eigene Interessen verfolgen, den Fernsehsender genötigt haben”, sagte Hashem.
Mit Beginn des sogenannten Arabischen Frühling übernahm Al-Jazeera die Rolle, die arabische Öffentlichkeit entweder für oder gegen die jeweilige Regierung aufzuwiegeln. Der Journalist und Autor Afshin Rattansi, der ebenfalls für Al-Jazeera gearbeitet hat, fand am 12. März 2012 auf RT, dass er Sender “traurigerweise” zu einer Stimme für die Einstellung der katarischen Herrscherfamilie gegen die syrische Regierung geworden sei. Im Deutschlandfunk sagte am 12. April 2014 in einem Hintergrundgespräch in Doha ein Al-Jazeera-Mitarbeiter der unerkannt bleiben wollte: “Wenn ich durch die Büros von Al-Dschasira [sic] Mubashar gehe, dann wird mir übel: Die meisten dort sind Islamisten, keine Journalisten. Und es werden immer mehr.” Zwar überlege er, zu kündigen, aber die Bezahlung sei eben gut.
Journalisten mit Integrität und einer Präsenz im Mainstream sind bei den Mächtigen gefürchtet. Ehrliche Journalisten können sogar Kriege aufhalten oder beenden – wie das Beispiel von Seymour M. Hersh zeigt, der mit seinen Recherchen zum My-Lai-Massaker die Haltung der US-Bürger zum Vietnamkrieg entscheidend beeinflusste. Was andererseits Kriege möglich machen hilft, sind Journalisten, die Propaganda mit seriöser Berichterstattung zu verwechseln scheinen. So zum Beispiel die deutsche Journalistin Anne Will in einer Sendung des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders Das Erste vom 06. Juni 2012, wo sie fragt: “Assad tötet Kinder – wie lange wollen wir noch zusehen?”
Nun ja – ihr Journalisten – wie lange wollen WIR noch zusehen? Zu Syrien ignoriert ihr dass Kindern unter falscher Flagge von Rebellen die Hälse durchgeschnitten werden; dass kritische Journalisten von Rebellen in eine Todesfalle gelockt werden; dass Journalisten von Leitmedien mit Abscheu berichten, wie sie zu Syrien zensiert und zum Lügen gezwungen wurden.
Links:
http://www.transparency.de/2013-07-16-Journalismus-und-Ko.2329.0.html
http://blogs.channel4.com/alex-thomsons-view/hostile-territory/1863
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/syrien-eine-ausloeschung-11784434.html
http://rt.com/news/al-jazeera-loses-staff-335/www.youtube.com/watch?v=Dn2jglbF0eI