Die von der Türkei finanzierte „Syrische Nationalarmee“ und der Mythos von einer „Vereinigten Syrischen Opposition“

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Translated by John T. Sumner (exclusively for SouthFront)

Die türkische Operation „Peace Spring“ lenkte den Blick der Öffentlichkeit erneut nicht nur auf die sogenannte Kurdenfrage, sondern auch auf Ankaras Bestrebungen, eine einheitliche syrische Opposition als Alternative zur Assad-Regierung zu schaffen. Nach offiziellen türkischen Angaben besteht das Ziel der Operation darin, die türkische Südgrenze gegen den „Terrorismus“ abzusichern und bis zu 2 Millionen Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass die Operation, wie auch schon frühere Militäraktionen in den Provinzen Aleppo, Latakia und Idlib, von der Türkei dazu genutzt wird, ihren eigenen Einfluss auszubauen.

Eine sogenannte „Syrische Übergangsregierung“ mit Sitz in der Türkei errichtete ein Hauptquartier und von der Türkei geführte militante Gruppen sollen als Instrument zur Durchsetzung des militärischen und politischen Einflusses der Türkei in der Region eingesetzt werden. Diejenigen militanten Gruppen, die an der Offensive im Nordosten Syriens teilnehmen, werden dabei unter dem Oberbegriff „Syrische Nationalarmee“ zusammengefasst. Die türkischen Operationen „Olive Branch“ und „Euphrates Shield“ haben gezeigt, dass das Hauptziel solcher Gruppen darin besteht, als Kanonenfutter in der ersten Kampflinie zu stehen, während Flugzeuge, Kampfpanzer, Artillerie und Spezialeinheiten der türkischen Streitkräfte die Hauptarbeit leisten. Ankara will damit vortäuschen, dass seine Aktionen in Syrien keine militärische Besetzung darstellen, sondern lediglich ein notwendiger Schritt sind, um das Territorium an eine „gemäßigte syrische Opposition“, die sich gegen das „illegitime Regime“ von Präsident Bashar al-Assad stellt, zurückgeben zu können.

Im Großraum Idlib bildeten von der Türkei unterstützte Fraktionen im Mai 2018 die Nationale Befreiungsfront, die als gemäßigte Oppositionskoalition propagiert wurde und den Einfluss von Hayat Tahrir al-Sham und anderen mit der Al-Qaida verbundenen Gruppen einschränken sollte. Trotz der Behauptung, eine Kampfstärke von 70000 Mann (sic) zu haben, unterlag die Koalition sofort in einem Machtkampf mit ihren Al-Qaida-Kameraden und wurde zum Untergebenen von Hayat Tahrir al-Sham. Und so beteiligten sich Verbände der Nationalen Befreiungsfront in den Jahren 2018 und 2019 mehrfach an Al-Qaida-Operationen gegen die syrische Armee.

In Nord-Aleppo war Ankara ein  wenig erfolgreicher, weil die im Dezember 2017 aufgestellte SNA nur im Einsatzgebiet der türkischen Armee operiert ist und wesentlich mehr von der durch türkische Spezialdienste geschaffenen Logistik- und Versorgungsinfrastruktur profitiert. Seit ihrer Gründung hat die SNA 30 Verbände mit hochtrabenden Namen wie „Elite-Armee“ oder „Oberkommando der Ersten Brigade“ und dazu eine Handvoll Militärexperten eingegliedert. Dennoch umfasst die Formation nach unterschiedlichen Schätzungen 15.000 bis 25.000 Kämpfer. Ihre Mitglieder nahmen an der Operation „Olive Branch“ teil und erhielten auch danach weiterhin kontinuierlich Sold in Höhe von 300-400 US-Dollar pro Monat. Gegenwärtig sind sie an der Operation im Nordosten Syriens beteiligt.

Nur wenige Tage vor Beginn der Operation Peace Spring versuchte die Türkei, die Nationale Befreiungsfront mit der „Syrischen Nationalen Armee“ zu verschmelzen. Am 4. Oktober veröffentlichten beide Gruppen sogar eine Erklärung, in der sie behaupteten, sich vereinigt zu haben. Einige Stunden nach der Veröffentlichung kam es jedoch zwischen beiden Gruppen zu heftigen Auseinandersetzungen um Besitztümer, die zuvor im Gebiet von Afrin beschlagnahmt worden waren. Somit waren die Vereinigungsbemühungen zumindest vorerst gescheitert.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die in der Türkei ansässige syrische Übergangsregierung und insbesondere deren Verteidigungsministerium keinen nennenswerten Einfluss auf die SNA-Abteilungen hat, da es weder Connections zu Hilfsgeldern, Waffen und Munition hat, noch auf die militärische Marschrichtung. Die volle Kontrolle über diese Aspekte des SNA-Alltags ermöglicht es Ankara, sie erfolgreich zu manipulieren, falls diese Einheiten für militärische Aktionen benötigt werden sollten. Gleichzeitig werden mit dieser Strategie alle Ansätze untergraben,  ein vereinheitlichtes militärisches Oberkommando zur Verwaltung der einzelnen Gruppen zu schaffen, da die Kommandeure der verschiedenen Gruppen ständig in einen internen Kampf um die Kontrolle über Waffen und um den jeweiligen Anteil an der Finanzhilfe  durch türkische Hintermänner verwickelt sind.

Dies erklärt, warum die SNA unmittelbar nach dem Ende der aktiven Phase der Operationen „Euphrates Shield“ und „Olive Branch“ in miteinander konkurrierende, bewaffnete Banden zerfiel, deren Hauptaugenmerk auf Plünderungen in den zuvor eroberten Gebieten und auf Schutzgelderpressungen der umliegenden Märkte und Betriebe lag.

In der Folge entwickelte sich der türkisch-kontrollierte Teil Nordsyriens zu einem sicheren Hafen für den Drogen- und Waffenhandel und für das organisierte Verbrechen. Die eiserne Hand der Türkei verwandelte die konkurrierenden Banden zur Durchführung der Militäroperation „Peace Spring“ erneut in eine Armee unter dem Markennamen SNA. Sobald jedoch die aktive Phase der Operation endet, wird der von der Türkei kontrollierte Teil des Nordostens Syriens ähnliche Konsequenzen zu tragen haben wie jene Gebiete, die von türkisch geführten Streitkräften in den Jahren 2016-2018 erobert wurden.

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