Die Schlacht um Mossul: Konzept gegen Realität

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Mossul ist nach Bagdad die zweitgrößte Stadt des Irak. In der Stadt Leben nach Schätzungen der Vereinten Nationen 1,5 Millionen Menschen. Es ist eine Stadt, wo sunnitische Araber, schiitische Araber, Kurden, Jesiden, Armenier, Assyrer, Turkmenen und sogar einige Anhänger des Christentums seit langer Zeit zusammenleben. Mossul ist des Weiteren die informelle, politische und die ökonomische Hauptstadt des sunnitischen Irak. Eine ethnisch facettenreiche Stadt und hat den höchsten Prozentsatz an Christen aller irakischen Städte.

Wirtschaftlich ist Mossul ein großes Zentrum der Erdölgewinnung. Vor den russischen Operationen mit dem Ziel der gezielten Zerstörung der Ölkarawanen, welche die “Nordroute” (Irak-Syrien-Türkei) folgten, erwirtschaftete der Islamische Staat (IS, ISIS) bis zu 50 Millionen Dollar pro Monat aus diesem Handel. Mossul ist ausserdem ein Verkehrsknotenpunkt. Drei große Autobahnen passieren Mossul: die Bagdad (№1) – Mossul – syrische Grenze – Aleppo (M4), die Bagdad (№2) – Mossul – türkische Grenze und die Mossul – Kirkuk (№80). Die Stadt ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Ein Zweig der sogenannten Bagdadbahn führt durch die Stadt. Die Stadt liegt am Tigris, dem größten Fluss im Nahen Osten. An diesem Fluss liegt das größte Wasserkraftwerk des Irak (60 Kilometer von der Stadt entfernt).

Am 16. Oktober wurde erklärt, dass Versuche unternommen werden, die Stadt zu stürmen. Es ist anzumerken, dass Mossul für ISIS die letzte Hochburg im Irak und eine wichtige Einnahmequelle aus Ölverkäufen ist. Für die Regierungen des Irak und der Autonomen Region Kurdistan ist die Kontrolle über diese Region in erster Linie von finanziellem Interesse. Für ihre westlichen Kollegen stellt diese Operation eine wichtige PR-Kampagne und eine Quelle politischer Dividende dar.

Der Führer einer bewaffneten schiitischen Gruppe, Hadi Al-Amery, erklärte, dass Mossul aufgrund der Dauer und der Intensivität der Kämpfe ein zweites Aleppo werden könnte. Diese Aussage wird durch die folgenden Argumente widerlegt:

Die Struktur der der Koalitionskräfte

  • Irakische Sicherheitskräfte (54.000 Soldaten)
  • Peschmerga (bis zu 40.000 Soldaten)
  • Loyal zur Regierung stehende sunnitische Milizen (bis 9.000 Personen)
  • Schiitische Milizen, turkmenische Einheiten, Jesiden und Christen die als Teil der Popular Mobilization Units (PMU), auch bekannt unter Popular Mobilization Forces (PMF), operieren (bis zu 5.000 Personen)
  • Ungefähr 5000 amerikanische Soldaten
  • Mehr als 130 Artilleriewaffensysteme, mehrere Hundert gepanzerte Fahrzeuge sowie etwa 90Kampfflugzeuge, Hubschrauber und unbemannte Kampfdrohnen.

Eine solche Patchwork-Koalition führt unweigerlich zu zusätzlichen Problemen während der Operation. An erster Stelle bezüglich der Zusammenarbeit und Koordination der Truppen. Ungefähr 9000 Terroristen des Islamsichen Staat, die voller Entschlossenheit sind, die Kontrolle über die Stadt nicht herzugeben, ausgerüstet mit Dutzenden VBIEDs (Vehicle Borne Improvised Explosive Device – Mit Sprengstoff gefülltes Fahrzeug wird zum Zielpunkt gefahren und zur Explosion gebracht) und chemischen Waffen stehen ihnen gegenüber. In Ausstattung, Mannstärke und Professionalität ist die Koalition in absoluten Vorteil. In Aleppo steht die syrische Regierungsarmee mit Unterstützung des Iranischen Revolutionsgarde und Freiwilligengruppen gegen eine bewaffnete Opposition, die ungefähr stark ist.

Allerdings stehen die Anti-ISIS-Truppen vor einer Reihe von Problemen und die schlechte humanitäre Situation in der Stadt ist nur einer von ihnen. Auf Initiative der Vereinten Nationen sind 5 Camps für 120.000 Menschen organisiert zu worden. Es ist offensichtlich nicht genug für die geschätzten 1,5 Millionen Menschen, die in der Stadt wohnen.

Unter den Kämpfern des Islamsichen Staat gibt es ehemalige Offiziere der Armee Saddams, welche in Mossul geboren sind und die Stadt und ihre Kommunikationen perfekt kennen. Diese Tatsache macht eine Erstürmung der Stadt zu einer fast undurchführbaren Aufgabe. Unter dem angeworbenen Personal des IS befindet sich eine beträchtliche Zahl an Kämpfern, welche über erhebliche Erfahrung im Häuserkampf aus Afghanistan, Tschetschenien, Libyen und Syrien verfügen. Diese Leute wissen alles über Kriegsführung in einer städtischen Umgebung. Die westlichen Medien skizzieren die Terroristen des Islamischen Staat als wild, grausam und dumm. Solche Leichtfertigkeit in der Feindbewertung führte bereits zu Opfern. In weniger als einem Monat des Kampfes in den Vororten Mossuls, in Gebieten, in denen die Bewohner treu zur Regierungskoalition stehen, wurden bereits 3000 Menschen getötet oder verwundet sowie 22 Panzer und mehr als 120 leichte Panzerfahrzeuge zerstört.

Die Stadt ist seit langer Zeit unter der Kontrolle des IS und wird bezüglich defensiv Positionen entsprechend vorbereitet sein. Das irakische Militär hat in der Vergangenheit wiederholt versucht die Stadt zu stürmen und die Kommandanten des IS haben höchstwahrscheinlich Maßnahmen zur Stärkung der am stärksten gefährdeten Verteidigungsstellungen durchgeführt. In den Vorstädten von Mossul eroberten die internationalen Koalitionskräfte die selbst gebauten Mörser, die Gasflaschen abschießen. Es hilft den Terroristen, unterirdische Tunnel zu bauen, um sich unentdeckt zwischen den Gebäuden und sogar zwischen den verschiedenen Vororten Mossuls zu bewegen. Die taktischen Methoden des Kämpfers des IS sind gekennzeichnet durch schnelles Manövrieren auf einer Stelle, mit der Verwendung von vorbereiteten Wegen, Hinterhalten und Fallen. Granatwerfer (RPG-7, RPG-18, RPG-22) werden in großen Mengen eingesetzt, während Mörser im Stadtkampf rar sind. In den Gebieten, wo der Feind am wahrscheinlichsten erscheint, sind Minenfallen und Landminen bereits vorbereitet. Auf Autobahnen nutzt der IS massiv VBIEDs und Langstreckenartillerie. Die Art dieser Angriffe entmutigt den Gegner und verringert die Geschwindigkeit seiner Offensive. Als Tarnung und zum Schutz des Luftraumes bezüglich Luftangriffen, als auch mit dem Ziel die Überwindung der Verteidigung zu komplizieren werden Löcher und Gräben mit Ölprodukten in Brand gesetzt. Zum Beginn der letzten Mossul-Operation führte der IS einen Gegenangriff in der Nähe der Stadt Kirkuk in der Hoffnung durch, die Koalition würde Ressourcen von Mossul abziehen und ausbluten. Ähnliche Angriffe wurden im Jahr 2015 und 2016 durchgeführt, um die Aufmerksamkeit von der Stadt wegzulenken. Der IS verwendet Artillerie mit hoher Reichweite und attackiert damit die Gebiete in denen die kurdische Peschmerga operiert mit Senfgas oder Chlor gefüllten Granaten. Am 20. Oktober arrangierten die Terroristen des Islamsichen Staat einen Sabotageakt an einer Schwefelanlage in Al-Mishraq. Diese Aktion führte zur Massenvergiftung von Zivilisten. ISIS benutzt auch Zivilisten als menschliche Schilde, um Luftangriffe zu verhindern.

Das allgemeine Konzept der Operation sieht wie folgt aus: Einheiten der Peschmerga führen einen Angriff aus dem Norden und aus dem Osten aus. Die ISF, mit der Hilfe schiitischer Milizen greift von Süden an. Die bewaffneten Gruppen der Kurden sind damit beauftragt, die Stadt zu blockieren. Die ISF nimmt Mossul unter Kontrolle.

Es sind ungefähr 5.000 amerikanische Soldaten um Mossul stationiert. Offizielle Quellen gaben an, das es in der Kampfzone ungefähr 200 Soldaten gibt. Im Allgemeinen bestehen diese aus Personal der USSOCOM (US Special Operations Command, USSOCOM/SOCOM – Kommando für Spezialoperationen der Vereinigten Staaten) und Fliegerleitoffiziere. Wie die restlichen 4.800 Soldaten eingesetzt sind, muss noch bestimmt werden. Soweit Informationen zur Verfügung stehen, werden 1.700 Soldaten der 2. Brigade der 101. Luftlandedivision auf dem Militärflugplatz Qayyarah Airfield West, circa 60 Kilometer von Mossul entfernt stationiert. Einheiten der 18. Feldartilleriebrigade werden am gleichen Ort eingesetzt, um den amerikanischen Fallschirmjägern Feuerunterstützung zu bieten. In diesem Gebiet wirkt auch das USMC-Bataillon (Task Force Spartan). Einheiten der 82. Luftlandung ersetzen ihre Kollegen aus der 101. Division. Sie absolvierten einen zweimonatigen Kurs für militärische Operation in bewohntem Gebiet und in chemischer Kriegsführung. Einen genauen Zeitpunkt für den Wechsel der Luftlandeeinheiten wurde nicht bekannt gegeben. Dies bedeutet, dass das Pentagon die Fallschirmjäger der 101. Luftlandedivision in Reserve halten kann.

Es scheint, dass das Vorwahlprojekt der Demokratischen Partei der USA unter dem Titel “Quick Capture of Mosul” scheinbar zusammen mit Hillary Clintons Präsidentschaftskampagne versagt hat. Nun hat sich die Taktik der US-Administration verändert. Das kann bedeuten, dass Donald Trump in den Sumpf eines Krieges gerissen wird. Das heißt, hochrangige Beamte des Pentagons glauben nicht mehr daran, dass das irakische Militär in der Lage ist, Mossul einzunehmen und arbeiten daran einen Plan mit größerer Beteiligung der US-Streitkräfte vorzubereiten.

Die Truppen der USA erlitten bereits Verluste: In den ersten drei Wochen der Offensive wurden 16 getötet und 27 verwundet. Die meisten der Opfer waren auf Artilleriefeuer, die Detonation von Minen/Sprengfallen und friendly fire von Flugzeugen der Koalition zurückzuführen.

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