Die Türkei arbeitet aktuell an dem Ausbau der nationalen Industrie und der Aufrüstung ihrer Streitkräfte mit moderner militärischer Ausrüstung. Der Gesamtwert dieser Projekte wird auf rund 77 Milliarden Dollar geschätzt. Ankara legt hierbei besonders Wert auf die Modernisierung und Erweiterung ihrer Panzerflotte. Momentan verfügt die Türkei über mehr als 3000 Kampfpanzer (auf Englisch auch als MBTs abgekürzt), wobei die Leistungsfähigsten die 339 Leopard-2A4 und 170 M60T Mk2 „Sabra“ Kampfpanzer sind. Diese sind mit modernen Feuerleitanlagen und 120mm Geschützen nach NATO Standard ausgestattet.
Der Sabra, im türkischen Militär auch als M60T bekannt, ist die extrem modernisierte Version des amerikanischen M60 Patton der zweiten Kampfpanzergeneration. Dieses aufgerüstete Paket wurde vom israelischen IMI Systems für den Export in die Türkei entworfen. Diese Mk2 Variante, durch den 2020 Vertrag (688 Million US-Dollar) erworben, beinhaltet eine verbesserte Panzerung, die eigens für ihn entwickelte MG253 120mm Glattrohkanone, die im M60 Patton Stil gehaltene M19 Kommandantenkuppel mit dem M85 12,7mm Maschinengewehr, die „Knight“ Feuerleitanlage von Elbit Systems und ein in türkischer Lizensproduktion hergestellter MTU Friedrichshafener Motor.
Das eingesetzte 60mm Mörsersystem stammt vom israelischen Soltam Ltd. Der Mk2 beinhaltet zudem Anbaustellen für Reaktivpanzerung. Die Kampfpanzer wurden vom türkischen 2ten Hauptinstandsetzungszentrum in Kooperation mit Israel überholt. Alle Systeme, bis auf das
Panzerungspaket, wurden mit einem Technologietransfer in der Türkei unter Lizenz produziert.
Im Februar 2018 erhielten die M60T und Leopard 2A4 Kampfpanzer das abstandsaktive Schutzmaßnahmensystem(APS) „Akkor Pulat“, die Exportvariante des in der Ukraine auf Basis der verbliebenen Sowjet-Technologien entwickelten „Zaslon-L“ Systems. Während der Operation Schutzschild Euphrat in Nordsyrien (August 2016 – März 2017), erlitt die türkische Panzerflotte nennenswerte Verluste durch den Einsatz von verschiedenster Panzerabwehrwaffen durch ISIS Terroristen, inklusive mehrer verschiedener Panzerabwehrraketen der zweiten Generation. Die türkische Armee setzte Leopard 2A4 Kampfpanzer zum ersten Mal aktiv während der Schlacht um al-Bab ein. Bis zu zehn Stück sollen zerstört worden sein. Während der zweiten militärischen Operation in Nordsyrien, Operation Olivenzweig (Januar-März 2018), hat die Türkei schon einige mit dem APS „Akkor Pulat“ ausgestattete Kampfpanzer benutzt. Die Wirksamkeit des Systems in realen Kampfbedingungen bleibt unbekannt gegenüber der Öffentlichkeit, da Ankara seinen Ansatz zur Kriegsführung schließlich übernahm und auf Wellen von Stellvertreter-Milizen mithilfe von Luftunterstützung, Artillerie und Spezialeinheiten setzt. Bedeutend weniger Einheiten der
türkischen Armee mit Kampfpanzern gerieten in Feuergefechte.
Nach Stand Januar 2020 hat die türkische M60T Flotte beinahe ihr komplettes Modernisierungspotenzial ausgeschöpft und es ist unwahrscheinlich, dass in Zukunft irgendwelche signifikanten Neuerung eingeführt werden. Zur selben Zeit ist das Leopard-2A4-Modernisierungsprogramm, welches mit Deutschland vereinbart wurde, fürs Erste auf Eis gelegt aufgrund der diplomatischen Differenzen zwischen Ankara und Berlin, während der Operation gegen kurdische Milizen im Januar 2018. Demnach kann sich die Türkei für das alternative Modernisierungspaket der ASELSAN A.S. Corp. Entscheiden – der Leopard-2NG (Next Generation). Die Schlüsselbereiche der Verbesserungen beinhalten eine neue Feuerleitanlage und Systeme zur Informationsverarbeitung und -verwaltung, verbesserte Optik, zusätzlicher ballistischer Schutz und Minenschutzmodule. Die vorgeschlagene L55-Glattrohrkanone bietet, im Gegensatz zum L44, ein elektrisches Getriebe für horizontale und vertikale Ausrichtung. Eine weitere wichtige Neuerung ist das SARP (Stabilized Advanced Remote weapon Platform), eine ferngesteuerte stationäre Waffe mit einem Maschinengewehr oder einem automatischen Granatwerfer und das
ATS-40 elektro-optische Sensorensystem. Das aufgerüstete Gesamtpaket würde das Gewicht des Kampfpanzers auf 65 t erhöhen und es ihm erlauben zusätzliche Munition bei sich zu führen. ASELSAN Werbematerial behauptet, dass die verbesserten Kampfpanzer dem deutschen
Leopard 2A6 Kampfpanzer überlegen sein werden.
Das Leopard-2NG Programm ist zudem auch in der Hinsicht nützlich, dass die Feldstudien der technischen Lösungen genutzt werden können für den zukünftigen türkischen Kampfpanzer, dem Altay. Zum Beispiel wurde das 2018 gezeigte Altay Modell mit einem, dem Leopard-2NG ähnlichen, Turm ausgestattet. Der Hauptauftragnehmner für den Altay ist Otokar. Jedoch sind andere türkische Unternehmen – ASELSAN (Teil-Systeme und Feuerleitanlagen), MKEK (Primärwaffensystem), Roketsan (Panzerungen), Hyundai Rotem (Technische Unterstützung und Hilfe) – auch am Projekt beteiligt.
Der Altay nutzt die MKEK-120 Glattrohrkanone, ähnlich dem deutschen Rh-120/L55. Dieses Geschütz ist in der Lage eine höhere Startgeschwindigkeit für die M829A2 Panzerbrecher-Munition zur Verfügung zu stellen, und zwar ungefähr 1750 m/s. Das erhöht zu einem die Durchschlagskraft, wie auch die Genauigkeit. Zum Vergleich beträgt die Startgeschwindigkeit einer M829A2 mit einem L44 Geschütz 1660 m/s.
Im Oktober 2019 erklärte der Altay-Hersteller BMC, dass der Altay den Dienst 2021 aufnehmen würde und 2023 komplett im Militär integriert sein werde. Mehrere Altay-Prototypen wurden schon während der Entwicklung fertiggestellt und zur Probe geschossen. Türkische Quellen behaupten, dass bis zu 250 Altay Kampfpanzer im Jahr 2025 in den Dienst gestellt werden sollen. Die Serienfertigung des Altay Kampfpanzers wird die Kampfkraft und Wirksamkeit der türkischen Armee auf dem Schlachtfeld erhöhen und es Ankara erlauben seine Bodenstreitkräfte mit modernen Kampfpanzern aufzurüsten, unabhängig der Position seiner „Westlichen Verbündeten“ zu seiner
Außenpolitik. Dies wird eine weitere Demonstration des hohen Potenzials der türkischen nationalen Rüstungsindustrie, welche mehrere wichtige Durchbrüche innerhalb des vergangen Jahrzehnts erreicht hat.