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In der Freien Demokratischen Partei (FDP) herrscht Hochstimmung, und das nicht ohne Grund. Die Langzeitstrategie des Parteivorsitzenden Christian Lindner ist aufgegangen. Noch 2013 musste die Partei eine krachende Wahlniederlage hinnehmen, flog aus dem Bundestag und schien endgültig am Ende. Nun steht sie kurz davor, in eine Regierungskoalition einzutreten, die wesentlich von ihr geprägt wird.
Schon einmal war die Partei in einem solchen Hochgefühl. Das war bei der Bundestagswahl 2009, als sie mit 14,6% das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte einfuhr. Damals waren viele Wähler enttäuscht von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und unzufrieden mit der weichen Politik von Angela Merkels Christlich Demokratischer Union Deutschlands (CDU). Freiheit und Demokratie, wie sie im Namen der FDP stehen, klagen da für viele verlockend. Die Partei war im Machtrausch.
Aber wie bei jedem Rausch kommt danach schnell der Kater. Der erste Rückschlag erfolgte, als die Partei nach ihrem Regierungseintritt Geschenke an Förderer und Geldgeber verteilte. Die Mehrheit der FDP-Wähler hingegen ging leer aus und sah ihre Hoffnungen auf eine Stimme gegen Bevormundung und Bürokratie und gegen steigende Steuern und Abgaben enttäuscht.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, glaubten die Karrieristen in der FDP, die Zeit sei gekommen, um vom größeren Stück des Kuchens, den die FDP ergattert hatte, nun auch selbst einen größeren Bissen zu nehmen. Es entbrannte ein Machtkampf jeder gegen jeden, der selbst dem letzten Anhänger der Partei klar machte, dass Sachpolitik zum Nutzen der Wähler mit diesem Haufen unmöglich ist.
So wurde der bislang erfolgreiche Parteichef und geachtete Außenminister Guido Westerwelle von seiner eigenen Partei demontiert und ein Skandal jagte den nächsten. Die Partei stürzte in Umfragen noch im Wahljahr von etwa 15% auf wenig mehr als 4% ab.
Wer das Schicksal der CDU vor der Wahl 2021 beobachtet hat, bemerkt die erstaunlichen Parallelen. Auch die CDU stolperte nicht über ihre Politik, sondern über den ungehemmten internen Machtkampf. Im Rückblick auf die FDP 2009 hätte man es dort besser wissen und machen können, aber Machtgier kennt keine Grenzen und schreckt auch nicht davor zurück, dass sich die Wölfe lieber gegenseitig zerfleischen, als zurückzustecken.
Der Ansehensverlust der FDP 2009 führte nicht zu einem Abflauen der inneren Kämpfe, sondern zu einer Verstärkung, denn jeder Karrierist wollte zu den wenigen gehören, die die absehbare Katastrophe überlebten. Mit dem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 gab es jedoch keine Überlebenden. Es gab weder Abgeordnetenmandate noch Ministerposten, um die man schachern konnte. Und schnell verließen die Ratten das sinkende Schiff, um sich anderswo nach Geldquellen umzuschauen.
Übrig blieb schließlich der relativ junge Christian Lindner, unterstützt von Leuten wie Wolfgang Kubicki, die schon zuvor einen radikalen Neuanfang gefordert hatten. Und den gab es nun endlich auch.
Die neue Parteiführung, praktisch eine Ein-Mann-Show von Christian Lindner, forderte strikte Loyalität ein und lehnte Wahlgeschenke für Geldgeber kategorisch ab. Stattdessen sollte sich die Partei auf ihre politischen Kompetenzen wie Wirtschaft, Freiheit und Modernisierung, speziell im Internetbereich, konzentrieren. Faule Kompromisse zum Vorteil von Ministerposten und zum Schaden der Partei sollte es nicht mehr geben.
Gegen alle Vorhersagen gelang das Wunder. 2017 errang die FDP 10,7% der Wählerstimmen und konnte ihr Ergebnis damit mehr als verdoppeln. Auch im historischen Vergleich lag die Partei damit so gut wie selten zuvor. Eine erneute Regierungsbeteiligung lag in der Luft und Verhandlungen mit den Unionsparteien und den Grünen begannen umgehend.
Etwa vier Wochen nach der Wahl ließ Christian Lindner jedoch eine politische Bombe platzen und brach die Verhandlungen ab. Die FDP verzichtete auf eine Regierungsbeteiligung und ging wieder in die Opposition. Bei vielen Kommentatoren und Wählern löste das Kopfschütteln oder sogar Ärger aus. Die FDP verlor in Umfragen wieder, weil ihr angelastet wurde, den von vielen gewünschten Regierungswechsel verhindert zu haben.
Für Christian Lindner war der Schritt jedoch nur konsequent und entsprach seiner Strategie, sich nicht verbiegen zu lassen. Das erkannten schrittweise auch die Wähler, was 2021 dazu führte, dass die Partei ihre zwischenzeitlichen Verluste wettmachen und sogar noch auf 11,5% zulegen konnte.
Nun steht die FDP wieder in Koalitionsverhandlungen, wie vier Jahre zuvor mit den Grünen, aber nun mit der SPD als Seniorpartner. Diesmal jedoch scheint die Regierungsbeteiligung Wirklichkeit zu werden. Was also ist anders als vor vier Jahren?
Dass nun die SPD als künftige Kanzlerpartei firmiert und nicht mehr die CDU, ist inhaltlich irrelevant, zu ähnlich sind sich beide Parteien politisch inzwischen. Der Unterschied liegt vielmehr im Politikstil der Kanzlerkandidaten.
Angela Merkel von der CDU erzwang immer, wenn es möglich war, einen Kompromiss, bei dem sich alle Seiten einigen mussten, aber keine der Seiten mit dem Ergebnis zufrieden sein konnte. Die Folge war, dass die beteiligten Parteien langfristig alle an Ansehen verloren, da niemand mit der Durchsetzung seiner Ziele werben konnte, eine Lose-Lose-Situation.
Olaf Scholz von der SPD hingegen ist zu Tauschgeschäften bereit. Jeder Partner erhält bei bestimmten Forderungen freie Hand und mischt sich im Gegenzug nicht in die Steckenpferde der anderen Parteien ein, eine Win-Win-Situation also. Christian Lindner hatte das bereits 2017 erkannt und seine Partei nicht vor den Karren von Angela Merkel spannen lassen.
Vier zusätzliche Jahre Opposition scheinen sich nun auszuzahlen. Die FDP kann voraussichtlich eine Reihe Forderungen durchsetzen und Wahlversprechen einlösen. Die wahre Herausforderung kommt jedoch erst noch.
Bisher konnte die FDP mit einem Balanceakt von Zustimmung und Kritik punkten. So stellte sich die Partei beispielsweise in der Corona-Krise prinzipiell auf die Seite der Regierung, kritisierte die konkreten Maßnahmen jedoch scharf. Einerseits übernahm sie das Narrativ von der gefährlichen Seuche, die es mit entschiedenen Maßnahmen zu bekämpfen gelte, andererseits verurteilte sie die massive Einschränkung von Grundrechten. Dabei ging sie jedoch nie so weit, den Bruch des Grundgesetztes auch so zu bezeichnen und blieb immer staatstragend.
Einmal in der Regierung wird eine solche Sowohl-Als-Auch-Politik nicht mehr möglich sein. Dann muss die Partei klar Stellung beziehen und zeigen, wie ernst es ihr mit der Freiheit ist. Ob es mit einer FDP in der Regierung wirklich weniger Steuern und Abgaben, keine neuen Schulden, mehr bürgerliche Freiheit, weniger Bürokratie und eine Digitalisierung der Verwaltung geben wird, bleibt abzuwarten. Es wäre fast zu schön, um wahr zu sein.