“Das wird sich alles sortieren” (I)

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Der russische Außenminister Sergej Lawrow

Der russische Außenminister Sergej Lawrow

Ursprünglich erschienen bei The Vineyard Saker – Deutsche Version

Interview des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit Zeitung und Radio ‘Komsomolskaja Prawda’, Moskau 31.05.2015

Foreign Minister Sergey Lavrov’s interview to Komsomolskaya Pravda, Moscow, May 31, 2016

Komsomolskaja Prawda (KP): Packen wir den Stier bei den Hörnern. Wir haben hunderte unterschiedlicher Botschaften und Fragen erhalten. Viele davon zeigen massive Sorgen in Verbindung mit einer sehr schwierigen Lage, was dieses Land betrifft. Sie haben versucht, uns mit Sanktionen zu zerschmettern, die NATO bewegt sich näher an unsere Grenzen, und es wird ein Raketenabwehrsystem entwickelt. Unser Land erlebt eine nie dagewesene Dämonisierung durch die internationalen Medien. Sie wollen uns nicht hören. Die Vereinigten Staaten führen in diesem Prozess. Der US-Präsident Barack Obama sagte, dass die amerikanische Nation außergewöhnlich sei, und andere Länder nach den Regeln spielen müssten, die die Vereinigten Staaten setzen. Die Rolle eines Vasallen passt eindeutig nicht für uns. Sind zu ewiger Rivalität und Konflikt mit dem unter Führung der Vereinigten Staaten vereinten Westen verdammt, die jederzeit zu einer Konfrontation werden können, um nicht ein noch finstereres Szenario zu erwähnen? Die Leute sagen immer öfter, dass es Krieg geben wird. Wie begründet sind diese Sorgen?

Sergej Lawrow (S.L.): Es wird keinen „Weltkrieg“ geben. Präsident Putin sagte das in Wladimir Solowjows Film Weltordnung. Ich bin überzeugt, dass auch verantwortliche Politiker im Westen das nicht geschehen lassen werden, denn sie erinnern sich gut an die Schrecken des ersten und zweiten Weltkriegs. Russland hat im Krieg in Europa die größten Verluste erlitten, China die größten im Pazifik, im Kampf gegen den japanischen Militarismus. Noch einmal, die Politiker können das nicht geschehen lassen.

Natürlich können wir uns auf andere verlassen, aber vor allem müssen wir daran denken, dass wir vorbereitet sind, einen weiteren Krieg zu verhindern. Solche Versuche werden gemacht, in Hinsicht auf den exzessiven Aufbau militärischer Kapazitäten und in Verletzung internationaler Verträge.

Sie haben das Raketenabwehrsystem erwähnt. 2001 haben sich die Vereinigten Staaten aus dem ABM-Vertrag zurückgezogen. Damals sagte US-Präsident George W. Bush in Erwiderung auf die Besorgnis, die Präsident Wladimir Putin ausgedrückt hatte, Moskau müsse sich keine Sorgen machen, da es nicht gegen Russland gerichtet sei, und die Vereinigten Staaten verstünden, dass Russland gezwungen wäre, zu antworten. Er sagte ebenfalls, Moskau könne jeden Schritt tun und machen, was es wolle. Unsere friedlichen Nachbarn aus Osteuropa sollten auch daran denken. Wir senden ruhig warnende Mitteilungen, dass wir Vergeltungsschritte unternehmen, wenn die militärische Infrastruktur der NATO näher an unsere Grenze rückt. Sie neigen dazu, das zu vergessen und Russland zu beschuldigen.

Wir werden natürlich wegen der Ukraine-Krise beschuldigt, und wegen der Syrien-Krise. Sie erzählen immer weiter, was wir tun sollen und müssen. Jetzt wollen sie, dass wir in Hinsicht auf die Libyen-Krise Unterstützung gewähren. Bald wird uns vielleicht schon vorgeworfen werden, was im Jemen passiert. Das ist eine geplante Politik, daran zweifle ich nicht.Offen gesagt, seit Anfang des 20. Jahrhunderts, wenn nicht früher, seit der Zeit Iwans des Schrecklichen, wollte niemand ein starkes und zuversichtliches Russland sehen. Während des ganzen vergangenen Jahrhunderts haben die Briten und die Amerikaner ihr Bestes getan, um zu verhindern, dass Eurasien seine Integrität bewahrt, damit meine ich das russische Reich, die Sowjetunion und das, was jetzt geschieht in Hinsicht auf Bemühungen, den Integrationsprozess des nach-sowjetischen Raums voranzutreiben. All das passt in das Konzept, dass der amerikanische Politikwissenschaftler Zbigniew Brzezinski in seinem Buch „Das große Schachspiel“ dargestellt hat, Das große Schachbrett, in dem er direkt die Aufgabe festschreibt, die Barbaren sich nicht vereinen zu lassen. So hat er das formuliert. Das ist natürlich eine Redewendung, aber sie zeigt deutlich genug die Denkweise, die dahinter steckt.

Nun zu dem, was wir tun müssen. Klar, Russland wird dämonisiert, und das ist okay, denn wir haben uns daran schon gewöhnt: mit wenigen Ausnahmen waren unsere Partner uns gegenüber in der Geschichte nicht offen. Erinnern Sie sich an die Fulton-Rede, die einige Monate nach dem Ende des zweiten Weltkriegs gehalten wurde, nach dem großen Sieg der Alliierten? Während des Krieges hat Winston Churchill öffentlich Stalin bewundert, sagte, die Sowjetunion sei ein solider Partner und Verbündeter, und dann machte er Bemerkungen, die den Kalten Krieg begannen. Ich rede noch nicht einmal von Informationen, wegen derer ich beschuldigt würde, paranoid zu sein. Im Vorlauf des G7-Treffens in Hiroshima und als Teil von Präsident Obamas Besuch in Japan, gab es in unseren Medien größere Debatten über die Gründe hinter der Entscheidung, auf Hiroshima und Nagasaki Atombomben abzuwerfen. Es ist bekannt, dass Präsident Truman ernsthaft darüber nach dachte, etwa zwanzig sowjetische Städte das gleiche Schicksal erleiden zu lassen.

Ihre Frage war sehr umfassend – sie berührte viele Dinge. Was die Sanktionen betrifft, im Kontext dessen, was ich gesagt habe, war die Ukraine nur ein Vorwand, um Sanktionen zu verhängen. Die Politik, Russland in Schach zu halten, begann schon viel früher. Sobald sie verstanden, dass der Amtsantritt von Präsident Putin im Jahr 2000 bedeutete, dass Russland in Außen-, Innen- und Wirtschaftspolitik unabhängig sein wollte, fingen sie an, nach Wegen zu suchen, um uns in Schach zu halten. Schließlich wurde der Magnitsky-Akt lange vor den Ereignissen in der Ukraine angenommen. Eine Menge Fakten sind enthüllt worden, auch in Dokumentarfilmen, die in Europa aus irgendeinem Grund verboten sind. Diese Filme und die in ihnen enthaltenen Tatsachen zeigen, dass der Tod von Sergej Magnitzky das Ergebnis eines enormen Betrugs durch William Browder ist, der nichts Anderes ist als ein schmieriger Ganove, was, da bin ich mir sicher, viele Leute wissen, die mit ihm zu tun hatten. Es wurden Sanktionen verhängt. Später hat Präsident Obama seinen Besuch in Moskau abgesagt, am Vorabend des G20-Gipfels in St. Petersburg im September 2013, weil er wegen Edward Snowden beleidigt war, der aus der National Security Agency geflohen war und in Russland um Asyl fragte. Wir mussten es ihm aus humanitären Erwägungen geben – er hatte keine Dokumente, die ihm erlaubt hätten, Russland zu verlassen. Da waren sie ebenfalls beleidigt, fingen an, uns einzuschüchtern und zu bedrohen, wenn auch nicht so stark wie im Falle der Ukraine.

Wir sehen in den jetzigen wirtschaftlichen Einschränkungen eine Möglichkeit, aus der wir das Beste machen sollten – um unsere technologische und Nahrungssicherheit zu stärken, die Wirtschaft und die Außenwirtschaftskontakte weiter zu diversifizieren und wirksame alternative Finanzmechanismen und Zahlungssysteme zu schaffen.

Ich würde sagen, es ist für uns nicht so wichtig, wann die anti-russischen Sanktionen aufgehoben werden – wir haben sie nicht verhängt und werden keine Kriterien oder Bedingungen für ihre Rücknahme diskutieren, sondern nur, wie wir unsere jetzige Position im Interesse unserer eigenen Wirtschaft und Entwicklung optimieren können.

K.P.: Warum würde ein Land, das den Krieg gewonnen hat, darum betteln, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen? Wir sollten Japan die Hälfte des russischen Gebiets geben, damit es einen Friedensvertrag mit uns unterschreibt? Warum müssen wir die Kurilen übergeben und Japan anbetteln, einen Friedensvertrag mit uns zu unterschreiben?

S.L.: Das müssen wir nicht tun, wir tun das nicht und werden es in Zukunft nicht tun. Weder übergeben wir die Kurilen, noch betteln wir bei Japan um einen Friedensvertrag. Als eine verlässliche und verantwortliche Macht und Nachfolger der Sowjetunion hat Russland zu einem bestimmten Zeitpunkt bestätigt, dass wir alle Verpflichtungen, die die Sowjetunion eingegangen ist, annehmen. Diese Verpflichtungen umschließen auch die sowjetisch-japanische Erklärung von 1956, die unterzeichnet und von den Parlamenten der Sowjetunion und Japans ratifiziert wurde. Die Erklärung stellt fest, dass die Parteien sich vornehmen, einen Friedensvertrag abzuschließen, und erst danach kann die Sowjetunion, so hat sie sich damals verpflichtet, als Geste des guten Willens, und beruhend auf den Erwartungen des japanischen Volkes, die japanischen Inseln Shikotan und Habomai an Japan übergeben. Voraussetzung dieses Schrittes ist, vor allem, dass unsere japanischen Nachbarn die Ergebnisse des zweiten Weltkriegs bedingungslos anerkennen. Unglücklicherweise wollen unsere japanischen Partner das nicht, nicht nur in Verbindung mit den Inseln, sondern vielmehr wahrscheinlicher trotz ihrer. Japan bleibt tatsächlich das einzige Mitgliedsland der UN, dass die Bestimmungen der UN-Charta, die besagt, dass alles, was die Siegermächte getan haben, unveränderlich ist, nicht bestätigt hat.

Wir sind bereit, nach Wegen zur Zusammenarbeit mit unseren japanischen Nachbarn zu suchen. Japan ist ein großes Land, eine große Nation, die eine komplizierte Geschichte hat, darunter eine Geschichte von, milde gesagt, schlechten Beziehungen mit seinen Nachbarn. Dennoch sind wir daran interessiert, dass das japanische und das russische Volk, wie auch die Völker aller anderen Länder, in Harmonie leben und aus der Kooperation Nutzen ziehen. Es ist unmöglich, über eine beidseitig akzeptable Lösung des Territorialdisputs zu reden, ohne das Ergebnis des zweiten Weltkriegs anzuerkennen. Das erzählen wir unseren japanischen Partnern jedes Mal, wenn wir mit ihnen reden. Wir sagen ebenso, dass es viele Gelegenheiten gibt, diese Lage zu verbessern. Insbesondere haben wir, während der letzten Runde der Konsultationen, vorgeschlagen, den historischen Aspekt dieses Themas zu berücksichtigen, damit jedermann klar ist, dass der zweite Weltkrieg der Geschichte, dass diese Inseln die Hände wechseln, ein Ende gesetzt hat.

Wir realisieren, dass die Gräber von Verwandten von Japanern auf diesen Inseln sind. Einige Leute, die auf diesen Inseln lebten, sind noch am Leben. Wir haben besondere visafreie Reiseprogramme für Japaner, die die Südkurilen besuchen wollen. Die Einwohner der Region Sachalin können übrigens auch als Teil von visafreien Gruppen nach Japan reisen. Wir haben unsere japanischen Nachbarn schon seit langer Zeit eingeladen, zusammen mit uns auf diesen Inseln wirtschaftlich tätig zu werden. Sie können investieren und Sonderwirtschaftszonen schaffen. All das können sie tun. Ich hoffe, dass sich unsere japanischen Kollegen auf genau diese Tätigkeiten konzentrieren werden. Zumindest haben wir ihnen die Einladung dazu gemacht. Ich denke, das wird viele Themen von der Tagesordnung nehmen. Wenn das Entscheidende ist, dass diese Inseln für japanische Besucher und Geschäftsleute offen sind, für humanitäres Handeln von Japan aus, dann ist alles andere vermutlich nicht so grundlegend.

K.P.: Was ist der Kern der neuen Herangehensweise an die Frage der sogenannten „nördlichen Gebiete“, von der der japanische Premier Shinzo Abe vor kurzem in Sotschi gesprochen hat?

S.L.: Da ist nichts dran, was nicht zuvor diskutiert wurde. Es bedeutet tatsächlich, dass unser Dialog auf die Linie zurückkehrt, die 2003 auf einem russisch-japanischen Gipfel formuliert und 2013 bestätigt wurde, als der japanische Premierminister Shinzo Abe Russland offiziell besucht hat.

Die Idee ist, dass wir, um irgendein Problem zu behandeln, das auftaucht, oder ein altes Problem, wir unsere Partnerschaft in alle Richtungen ausweiten müssen, sie auswachsen und strategisch werden lassen. Das betrifft Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, insbesondere auf dem Gebiet der Investitionen (wechselseitiger Investitionen) und den humanitären Austausch, der von unseren Völkern sehr gewünscht wird. Und das bezieht sich zu nicht geringem Anteil auf unsere Kooperation in Fragen der Sicherheit und der strategischen Stabilität. Es würde uns sehr gefallen, wenn unsere japanischen Kollegen selbst ihren außenpolitischen Kurs setzen würden.

K.P.: Mit wem ist schwieriger umzugehen, westlichen oder östlichen Diplomaten?

S.L. Was das angeht, wie es ist, mit westlichen und östlichen Diplomaten umzugehen, wenn Sie mit östlich Asien und Afrika meinen, würde ich sagen, alles hängt von der Person ab. Es gibt westliche Kollegen, die tun, als wüssten sie nichts, wenn sie nichts zu sagen haben, oder die sehr geradeheraus handeln, und dann gibt es unsere chinesischen oder japanischen Partner, die versierter sind und besser vorbereitet. Das hängt alles von der Person ab.

Der Stil der Diplomatie in Asien unterscheidet sich natürlich etwas von der im Westen. Er ist delikater, subtiler, verfeinerter und weniger grob. Früher diktierten nur die Vereinigten Staaten jedermann ihren Willen, und das tun sie noch. Kürzlich sagte US-Präsident Barack Obama, dass die Vereinigten Staaten alle globalen Regeln selbst bestimmen sollten, während der Rest, einschließlich Chinas, das er besonders hervorhob (aber Russland offensichtlich auch), diesen Regeln gehorchen solle. Unglücklicherweise wird diese langanhaltende Krankheit schwer zu heilen sein, aber sie wird vorübergehen. Bedauerlicherweise tritt Europa in diese Fußstapfen, greift zu ähnlichen Methoden und nimmt ähnliche Gewohnheiten an, greift beim ersten Anzeichen von Problemen direkt zu Sanktionen. Früher war das nur für die USA charakteristisch. Das wird sich im Laufe der Zeit alles zurecht sortieren.

K.P.: Ein Fünftel der über tausend Fragen, die wir von unseren Hörern erhalten haben, betrifft die Ukraine. Der Minsker Prozess wurde vor über einem Jahr begonnen. Viele glauben, dass er stockt und keine positiven Ergebnisse bringen wird. Gibt es irgendeine Hoffnung auf Umsetzung des Minsker Pakets?

S.L.: Natürlich, es gibt noch Hoffnung. Mehr noch, wir müssen seine Umsetzung fordern, wie wir es getan haben. Die Minsker Vereinbarungen wurden durch sehr schwierige Gespräche auf oberster Ebene koordiniert und in der Folge von Kiew, Donezk, Lugansk, Russland, Frankreich und Deutschland unterzeichnet. Es sind die einzigen Dokumente, die die Verpflichtungen der Konfliktseiten benennen, und die Garantien durch die Europäer und Russland. Wir dürfen es nicht erlauben, dass diese Vereinbarungen den Weg der Vereinbarungen nehmen, die in der Nacht des 21.Februar 2014 von Viktor Janukowitsch, Arseni Jatsenjuk, Vitali Klitschko und Oleg Tyagnibok unterschrieben wurden, in Anwesenheit von und bezeugt durch Vertreter von Frankreich, Deutschland und Polen, nur um gleich am nächsten Morgen verletzt zu werden. Unsere französischen, deutschen und polnischen Kollegen haben zu ihrer Schande dazu geschwiegen. Wenn wir es jenen erlauben, die den Staatsstreich in der Ukraine inszenierten und gegenwärtig die wichtigste politische Kraft in der Ukraine sind, mit den Minsker Vereinbarungen genauso zu verfahren, dann verlieren wir alle das Gesicht, auch der UN-Sicherheitsrat, der den in Minsk unterzeichneten Vereinbarungen in ihrer jetzigen Form zugestimmt hat, ohne irgendwelche Ergänzungen zu empfehlen.

Der Präsident der Ukraine Petr Poroschenko und der Außenminister Pawel Klimkin geben einander widersprechende Erklärungen ab, was ihr Bekenntnis zum Minsker Paket betrifft; sagen ihrem Volk das eine, und versuchen, sich bei Treffen mit ihren ausländischen Partnern kooperativer zu verhalten. Wir hoffen, das zumindest nach einem Teil dieser Erklärungen auch gehandelt wird. Die Lage ist sehr einfach. Sie debattieren wieder, was zuerst kam, die Henne oder das Ei, und welche Schritte als nächste genommen werden müssten. Für Präsident Poroschenko ist unerwarteterweise die Sicherheit das Hauptthema geworden. Er redet jetzt nicht nur über die Waffenruhe, sondern auch von irgendwelchen internationalen Kräften, die die Sicherheit im Donbass sicherstellen sollen. Das letztere ist in den Minsker Vereinbarungen nicht festgelegt. Der Donbass wird nie zustimmen, und nach den Minsker Vereinbarungen müssen absolut alle Schritte hin auf eine Beilegung mit dem Donbass koordiniert werden.

Was die Sicherheit an der Trennungslinie betrifft, stehen wir fest dafür, die Rolle und die Verantwortung der OSZE-Mission zu stärken, die Zahl ihrer Beobachter zu erhöhen, damit sie die Schaffung einer sicheren Distanz zwischen den Konfliktparteien überwachen, wie es vereinbart wurde, und auch die dauerhaften Lagerstätten für die schweren Waffen beider Seiten überwachen. Letztlich kann man den Prozess unbegrenzt verlängern, indem man endlos über unzureichende Sicherheit redet. Kiew besteht darauf, dass politische Reformen erst beginnen werden, wenn die Sicherheit über mehrere Wochen oder Monate zu hundert Prozent erhalten ist. Das ist unrealistisch. Nichts derartiges wurde je in irgendeinem anderen Konflikt erreicht, ohne erst alle politischen Aspekte zu klären. Und was die politischen Aspekte betrifft, liegen alle sprichwörtlichen Bälle in der ukrainischen Hälfte. Ich beziehe mich hier vor allem auf den besonderen Status des Donbass, der in den Minsker Vereinbarungen auf den Weg gebracht wurde, und der jetzt in Gesetzesform gebracht und durch die Verfassung geschützt werden muss. Da ist auch das Thema der Amnestie, denn die Amnestie muss ein Teil der Beilegung sein, jetzt, da die Gezeiten in dem Konflikt gewechselt haben. Ein Gesetz über die Amnestie wurde von der Werchowna Rada eingebracht und verabschiedet, aber Präsident Poroschenko hat es nicht unterzeichnet. Ich weiß nicht, warum. Es wird uns gesagt, dass einer Amnestie nur auf Grundlage des Gesetzes von 1996 zugestimmt werden könne, nach dem alle Verdächtigen individuell um Amnestie nachsuchen müssen und ihre Anträge individuell von ukrainischen Gerichten verhandelt werden. Das ist nicht das, was wir vereinbart hatten, und das wird sicher die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen verhindern. Und zuletzt, Wahlen sollen im Donbass abgehalten werden, nachdem der spezielle Status in der Verfassung formalisiert wurde, zusammen mit dem Gesetz zur Amnestie. All diese Themen – die Wahlen, das Gesetz über den besonderen Status, und die Ergänzungen zur Verfassung in Einhaltung der Minsker Vereinbarungen, die das klar verlangen – müssen mit den vom Konflikt betroffenen Gebieten in den Regionen Donezk und Lugansk abgesprochen werden.

Nichts von dem Oben erwähnten ist passiert, trotz der Bemühungen innerhalb der Kontaktgruppe, dem einzigen Ort, wo der direkte Dialog zwischen Kiew, Donezk und Lugansk möglich ist, und innerhalb des Normandie-Formats, das die Kontaktgruppe nicht ersetzen kann, so sehr Kiew, oder gar Berlin und Paris, das auch wünschen mögen. Wir sind uns über ihre Stimmung im Klaren, und haben Vorschläge gehört, dass die vier Parteien – Frankreich, Deutschland, Russland und die Ukraine – eine Beilegung verhandeln sollen, nach der von Russland erwartet wird, den Donbass zu überzeugen, sich den Verhandlungen anzuschließen. Als wir erklärten, das, was es braucht, ist ein direkter Dialog zwischen dem Donbass und Kiew, fragte ein deutscher Vertreter zynisch und eher unverschämt, warum wir auf einem direkten Dialog bestünden, wenn es Russland 15 Minuten kosten würde, den Donbass seinem Willen zu beugen. Das ist präzise, was er sagte.

K.P.: Es wäre besser, wenn sie Kiew beugen würden.

S.L.: Das ist genau, was ich zum Abschluss meiner Antwort auf Ihre Frage sagen wollte. Ich glaube, nicht nur die Deutschen, Franzosen, viele andere in Europa und den Vereinigten Staaten sehen, dass Kiew den Verpflichtungen aus dem Weg geht, die der Präsident der Ukraine eingegangen ist.

 

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